Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

Stefan Winckler

Zum Mond? 50 Jahre Apollo 11 – und die Raumforschung der Gegenwart


Der Mond ist  wieder zum attraktiven Ziel geworden. China schickte eine Sonde namens Chang'e-4 auf die Rückseite des Erdtrabanten, wo bislang noch kein Raumfahrzeug aufgesetzt hatte. Die Landung gelang am 3.1.2019 um 3.26 Uhr Mitteleuropäischer Zeit. Die erdabgewandte Seite des Mondes ist zwar durch russische Funkbilder von 1959 und 1965 bekannt, aber vergleichsweise wenig erforscht. An der Landestelle herrscht 27 Erdtage lang Sonneneinstrahlung und ebenso lange tiefschwarze Nacht. Unter anderem untersucht ein Roboterfahrzeug die Temperatur der Mondoberfläche, die Zusammensetzung des Mondgesteins und die kosmische Strahlung. Bilder vom 15.1.2019 belegen, dass die Übertragung über ein Relaissatelliten 60.000 Kilometer über dem Mond funktioniert. Nach 2030 sollen Taikonauten (chinesische Astronauten; Taikong bedeutet: Weltraum) den Mond betreten.

Am 21.2.2019 startete eine Rakete mit einer israelischen Mondsonde namens Bereschit von Cape Canaveral. Bereschit ist das hebräische Wort für das 1. Buch Mose. Damit ist Israel erst das vierte Land, das ein Raumfahrtzeug auf dem Mond absetzt. Die waschmaschinengroße Sonde landete am 11.4.2019. Sie erforscht das Magnetfeld des Mondes. An Bord ist auch eine Bibel, gespeichert auf einem Datenträger in Münzgröße. Die Kosten für den Bau des Landeobjekts beliefen sich auf rund 84 Millionen Euro und wurden größtenteils privat getragen.

Der Blick wird 2019 aber häufiger in die Vergangenheit als in die Gegenwart der Mondraumfahrt gehen. Diesjahr gedenkt die Welt einer wahren Sternstunde der Menschheit – im Sinne des Wortes von Stefan Zweig: der ersten Landung von Menschen auf dem Mond.

Vorläufer

Bereits im Jahre 1959, zwei Jahre nach dem Erdsatelliten Sputnik, flog die unbemannte sowjetische Raumsonde Lunik 1 am Mond vorbei. Im gleichen Jahr schlug Lunik 2 auf dem Mond auf, und Lunik 3 sendete aus der Mondumlaufbahn Fotos von der Rückseite des Erdtrabanten.

1961 verkündete Präsident John F. Kennedy in seiner berühmten Rede das Ziel der Vereinigten Staaten, in den 1960ern einen Mann zum Mond und wieder sicher zurückzubringen. Er sprach diese Worte in einer Zeit, in der der Fortschrittsoptimismus unbegrenzt schien: gleichgültig, ob es sich im politische, wisssenschaftliche oder technische Vorhaben handelte. Die Arbeitsproduktivität in den USA war außerordentlich hoch, weit höher als in der Bundesrepublik Deutschland oder Japan. das Wirtschaft wuchs von 1961 bis 1970 um 50,8 Prozent. Es war zugleich die Zeit des kalten Krieges, die beide Seiten zu höchsten öffentlichkeitswirksamen Anstrengungen motivierte. Die USA beabsichtigten, die Sowjetunion in Sachen Weltraumfahrt zu überholen.

Am 3.2.1966 schaffte Luna 9 (UdSSR) die erste weiche Landung auf dem Mond, am 2.6.1966 folgte die US-Sonde Surveyor 1, die 11.200 Bilder funkte. Gleichzeitig lief auch ein sowjetisches Programm, um einen Mann auf den Mond zu bringen, doch wurde es nach diversen Fehlschlägen und dem Erfolg der NASA aufgegeben. Aber noch im September 1968 schrieb das „Hamburger Abendblatt“ (Verlag Axel Springer), der erste Mann auf dem Mond werde ein Russe sein. Doch zu diesem Zeitpunkt war die sowjetische Raumfahrt bereits ins Hintertreffen geraten, auch durch den Tod ihres Chefkonstrukteurs Sergej P. Koroljow Anfang 1966.

Ein großer Fortschritt für die Amerikaner: Die erste bemannte Mondumkreisung gelang den Apollo 8-Astronauten im Dezember 1968. Astronaut Bill Anders schoss das berühmte Bild vom „Erdaufgang“. Die Astronauten verlasen die Schöpfungsgeschichte aus der Bibel und schlossen mit den Worten: „Wir schließen mit einem Gute Nacht, viel Glück, fröhliche Weihnachten und Gott segne euch alle – euch alle auf der guten Erde“ (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Apollo_8).

Apollo 11

Die Saturn V-Rakete startete am 16.7.1969. Die Landung auf dem Mond erfolgte am 20.7.1969.

Der US-Kongress hatte zuvor durchgesetzt, dass die amerikanische Flagge in den Mondboden gerammt wird – und nicht die UNO-Flagge. Die NASA achtete darauf, dass dieser Akt nicht als Inbesitznahme des Mondes durch die Vereinigten Staaten missverstanden werden kann, und ließ eine Plakette niederlagen: „We came in peace for all mankind“.

Unmittelbar vor den Amerikanern sollte das sowjetisches Raumfahrzeug Luna 15 weich auf dem Mond landen und ebenfalls Gesteinsproben zur Erde mitnehmen. Dieses unbemannte Unternehmen scheiterte jedoch, da Luna 15 hart aufschlug – zwei Stunden bevor Armstrong und Aldrin vom Mond starteten. Man stelle sich die erstaunten Gesichter der US-Astronauten vor, wenn sie ein weiteres Landefahrzeug bemerkt hätten...

Es ist oft geschrieben worden, dass Aldrin Freimaurer ist. Weit weniger bekannt ist sein christlicher Glaube: er ist Presbyterianer und feierte – mit abgeschaltetem Mikrofon - die Kommunion unmittelbar vor seinem Ausstieg auf den Mond. Dies geschah diskret, weil die atheistische Aktivistin Madelyn Murray O'Hair gegen die Lesung der Schöpfungsgeschichte protestiert hatte und auf eine Klage hinarbeitete, die Astronauten als Regierungsangestellten das öffentliche Beten im Weltraum verbieten wollte (1969 abgewiesen, aber die NASA wollte keine religiösen Gesten ihrer Astronauten mehr zulassen). Dazu zitierte Aldrin, einen Kelch, Wein und Brot nach Absprache mit seinem Pfarrer verwendend, aus dem Johannes-Evangelium 15,5 die Sätze „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich im ihm, der bringt viele Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun“.

Die Apollo 11-Besatzung kehrte am 24.7.1969 wieder auf die Erde zurück, indem sie programmgemäß im Zentralpazifik wasserte.

Im Laufe des Programms wurde die Aufenthaltsdauer und der Umfang der Forschungen ausgedent. Armstrong und Aldrin verbrachten 21 Stunden und 36 Minuten auf dem Mond, davon etwa zweieinhalb Stunden außerhalb der Landefähre. Harrison Schmitt und Eugene Cernan (Apollo 17) waren für insgesamt drei Tage dort. Apollo 15, 16 und 17 führten ein Lunar Rover Vehicle („Mondauto“) mit, um jeweils zwischen 26 und 36 Kilometer zurückzulegen.

Kosten und Nutzen

Die Kosten des Apollo-Programms beliefen sich auf mehr als 23 Milliarden Dollar (in Preisen von 1972; heute: 120 Mrd. Dollar). Der Nutzen ist nicht in Dollars und Cents zu beziffern. Es gelang, neue Erkenntnisse über den Mond und das Sonnensystem zu gewinnen (gewissermaßen das Mindeste, was zu erzielen war) und 400.000 Menschen zu beschäftigen. Bereits während der Mondflüge profitierte die medizinische Forschung: „Dutzende von neuen Instrumenten, Verfahren und Methoden (Herzschrittmacher, Intensiv-Pflegestation, verbesserte Röntgen-Verfahren für Krebs-Früherkennung), die direkt der Raumfahrt-Technologie zu verdanken sind, erhalten das Leben unzähliger Menschen, die anderenfalls längst gestorben wären. Nach Schätzung amerikanischer Experten wird heute [1972] schon etwa 60 000 Herzpatienten pro Jahr allein in den USA das Leben in jenen Intensiv-Pflegestationen gerettet, die nach den technischen Erfahrungen bei der Gesundheitsfernüberwachung der Astronauten (Bio-Telemetrie) möglich geworden sind“ (vgl. Die Zeit, a.a.O.).

Schwindel?

Nicht verstummen wollen Gerüchte, wonach die NASA die Welt über die Mondlandungen getäuscht habe. Die Mondlandungen hätten nicht stattgefunden, jedenfalls sei die erste Landung gefälscht. Eine Variante dieser Theorie lautet: Astronauten waren auf dem Mond, aber die Fernsehbilder seien in Amerika nachgestellt worden, da eine Übertragung vom Mond zur Erde noch nicht möglich war. Daraus ergab sich eine herausforderde, teilweise auf intelligente Weise unterhaltsame Debatte. Verschwörungstheorien werden unter anderem auf den Seiten http://www.badastronomy.com/bad/tv/foxapollo.html und https://de.wikipedia.org/wiki/Verschw%C3%B6rungstheorien_zur_Mondlandung widerlegt. So ist die Behauptung, Regisseur Stanley Kubrick („2001 – Odyssee im Weltraum“, 1968) habe die Mondlandung inszeniert, ist frei erfunden. Der unter Flugangst leidende, sehr zurückgezogen lebende und allen Auftragsarbeiten abgeneigte Autorenfilmer ist garantiert nicht von seinem Landsitz nahe London nach Amerika geeilt, da er im Sommer 1969 mitten in der Vorbereitung seines ambitionierten Filmprojekts über Napoleon steckte – das Drehbuch vollendete er am 21.9.1969. Vor allem aber dürfte in einer offenen, obrigkeitskritischen Gesellschaft, die über eine beachtliche Tradition des investigativen Journalismus verfügt, eine Fälschung der Mondlandung kaum dauerhaft Bestand haben. Sie würde mit höchster Wahrscheinlichkeit aufgedeckt, früher oder später, nicht zuletzt angesichts der vielen beschäftigten im Umfeld der Apollo-Missionen. Im übrigen zweifelte nicht einmal die UdSSR an der amerikanischen Mondlandung.

Abschluss des Apollo-Programms

Das US-Mondprogramm endete mit dem vorläufig letzten bemannten Flug im Dezember 1972: Apollo 17. Danach sorgte die erstmalige Kopplung eines Apollo-Raumschiffs (ohne Nummernbezeichnung) mit dem sowjetischen Raumfahrzeug Sojus 19 am 17.7.1975 für Aufsehen. Erstmals arbeiteten USA und UdSSR zusammen, nachdem alle bisherigen Vorhaben in strenger Geheimhaltung konkurrierend abgelaufen waren. Die Kopplung war ein Symptom für die Entspannung der auswärtigen Beziehungen seit den frühen 1970er Jahren.

1973 startete die erste Weltraumstation Skylab, die sechs Jahre lang die Erde umkreiste und dabei deutlich weniger als eine Apollo-Mondmission kostete: ein 36 Meter langer Zylinder mit Sonnenpaddeln, die den Flügeln einer Windmühle ähnelten. Vor genau 40 Jahren ging die Angst um, Skylab werde auf Süddeutschland stürzen (Titelbild des „Spiegel“ am 2.7.1979: Skylab stürzt zur Erde: Gefahr für Mainz?). Stattdessen endete die „,wohnliche Hütte' in der Unendlichkeit des Alls“ („Spiegel“ Nr. 27/1979)) in den tiefen Fluten des Indischen Ozean.

1975 schickte die NASA unbemannte Sonden zum Mars: Viking 1 und 2 landeten passend zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung 1976 auf dem roten Planeten.

Daniel Bächtold: Armstrongs Versprecher und andere Fakten zur historischen Mission. Die Nasa wollte die Uno-Flagge auf dem Mond hissen, Nixon seinen Namen verewigen und Aldrin das Abendmahl feiern.

Online: https://web.archive.org/web/20141231193623/http://www.tagesanzeiger.ch/17130867/print.html

 

Anatol Johansen: Hat sich die teure Reise zum Mond gelohnt? In: Die Zeit, 8.12.1972, online: https://www.zeit.de/1972/49/hat-sich-die-teure-reise-zum-mond-gelohnt

Jesco von Puttkamer: Abenteuer Apollo 11. Von der Mondlandung zur Erkundung des Mars. München 2009

© Stefan Winckler

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