Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

Zum 40. Todestag von Axel Springer


Am 22. September 1985 verstarb der Großverleger und politische Publizist Axel Springer. Seine letzten Worte lauteten: „Es könnte nicht besser sein“. Was wird er damit gemeint haben?
Springer war Preuße, geboren am 2. Mai 1912 in der Großstadt Altona bei Hamburg (sie wurde erst 1938 nach Hamburg eingemeindet). Die preußische Herkunft blieb ihm stets bewusst, da ihm der Bezug zu Berlin fast schon in die Wiege gelegt war.
Er war Sohn eines Druckerei- und Verlagsbesitzers, die Mutter war eine bildungsbürgerliche Goethe-Verehrerin. Hinzu kam die musische Prägung: In jungen Jahren wollte Springer Sänger werden, sein Idol war Richard Tauber. Sein Vater vermittelte ihm jedoch eine journalistische Ausbildung bei Wolffs Telegraphischem Bureau in Hamburg und der Bergedorfer Zeitung.  Durch Krankheit blieb Springer der Kriegseinsatz erspart.
Im Dezember 1945 fiel es dem zuständigen britischen Offizier leicht, ihm eine Verlagslizenz zu gewähren, denn der etwas Dandy-hafte Springer war dem Nationalsozialismus auch wegen des elterlichen Einflusses fern gestanden. Sein erstes Projekt waren die NORDWESTDEUTSCHEN HEFTE, die Radioprotokolle des NWDR enthielten.
Es folgte die Gründung der Radiozeitschrift HÖRZU (1946) des HAMBURGER ABENDBLATTS und der Frauenzeitschrift CONSTANZE (beide 1948).
„Unernst“, ja „anti-konventionell“ , so Springer, war die BILD, die er 1952 konzipierte. Er kaufte die Qualitätszeitung DIE WELT und die WELT am SONNTAG im Jahr darauf.

Springers Medien waren dank seiner Ideenfülle innovativ, der Verlag expandierte, er selbst entwickelte sich zu einem politischen „Pressezaren“. Doch schon in der Anfangszeit stand er der Hamburger SPD, Bürgermeister Max Brauer und dessen Nach-Nachfolger Herbert Weichmann nahe.
1958 versuchte Springer in Moskau vergeblich, dem sowjetischen Generalsekretär Chruschtschow die Vorteile der Deutschen Einheit, gerade auch für die UdSSR, nahezubringen. Seine ökonomisch-rationale Argumentation blieb erfolglos. Zutiefst enttäuscht, entschied sich Springer im gleichen Jahr, den kalten Krieg gegen die DDR in der Presse aufzunehmen oder zu verschärfen. Eine Folge war auch die demonstrative Verlegung des Verlagssitzes nach Berlin (ungeachtet der Berlin-Krise 1958): Er ließ das Springer-Hochhaus direkt an der Mauer in Berlin-Kreuzberg bauen.
Seine Zeitungen prangerten permanent das Grenzregime der DDR an. Springer selbst formulierte drei Tage nach der Absperrung des Ostsektors in Berlin die Schlagzeilen der „Bild“: Der Westen tut NICHTS! Präsident Kennedy schweigt... Macmillan geht auf die Jagd... und Adenauer schimpft auf Willy Brandt“. Bald versöhnten sich der anfangs erzürnte Adenauer und Springer, der mehrfach auch Gast in Rhöndorf war. Dort gab ihm der (Alt-)Kanzler, dem er sich politisch annäherte, auf den Weg: „Es gibt keine gültigen Verträge mit dem kommunistischen, atheistischen Osten. Seien Sie immer besorgt vor dem noch immer unausbalancierten deutschen Volk. Seien Sie immer gut Freund mit den Juden und mit dem Staat Israel“ (vgl. Axel Springer am 2.5.1982 im ZDF).
Israel sollte zu einem maßgeblichen Thema für Springer werden. Im geteilten Jerusalem vor dem Sechstagekrieg erkannte er das Pendant zum gespaltenen Berlin. Aus der Shoah zog er die Konsequenz, den lebenden Juden angesichts ihrer Gefährdung zu helfen: in Gesprächen mit Politikern, durch Spenden, und die Inhalte seiner Zeitungen.
Im Jahre 1967 entwarf Springer vier der politischen Verlagsgrundsätze: „Eintreten für die Wiedervereinigung, Aussöhnung mit den Juden, Kampf gegen politischen Extremismus, Unterstützung der freien sozialen Marktwirtschaft“.
1967/68 war die „Welt“ die publizistisch-intellektuelle Gegenspielerin der Linksradikalen und ihrer Mitläufer. Schon seit dem späten sechziger Jahren war er ein Gegner des Linksprotestantismus. Springer war wegen seines Besitzes und seiner Einstellungen eines der Feindobjekte der APO, die Enteignung wurde gefordert (bezeichnenderweise begann die Kampagne 1966 in der DDR, vgl. Hoeres, S. 8). Diverse Kampagnen (Günter Wallraff!) gegen „Bild“ waren im Gange, aber keine gegen die Boulevardzeitungen, die in anderen, eher linksliberalen Verlagen erschienen.
Die Ostpolitik Willy Brandts und Egon Bahrs beunruhigte Springer, der darin eine Anerkennung von sowjetischem Unrecht sah, so dass er spätestens ab Ende 1969 die CDU/CSU, v.a. Franz Josef Strauß bevorzugte. Kurz vor seinem Tod versöhnte er sich persönlich mit Brandt – in Jerusalem, vermittelt vom damaligen Bürgermeister Teddy Kollek.
Ein massiver Schicksalschlag war der Suizid des Sohnes Axel Springer jr. (Pressefotograf, Pseudonym: Sven Simon) im Jahre 1980. Immer wieder vertiefte er sich im Kloster des Hl. Johannes auf Patmos in die Religion, unterstützt durch Lektüre und Gespräche zuhause. Begeistert war er damals von Johannes Paul II. und Ronald Reagan.
Kommen wir zu den letzten Worten, die Ehefrau Friede überlieferte. Es könnte sein gewachsener Glaube gewesen sein, der ihn ohne Seelenqual sterben ließ, und vielleicht mag auch die Hoffnung auf die Überwindung des Sowjetkommunismus, der Spaltung Deutschlands und v.a. die Zukunft Berlins gewirkt haben – fünf Jahre vor Vollendung der Einheit.

War Springer demnach ein „Heiliger“? Ein Scheinheliger? Oder ein „seltsamer Heiliger“, wie sein Biograf Hans-Peter Schwarz meinte (a.a.O., S. 15)?  Fürsorglich war er gegenüber Mitarbeitern, auch wenn sie bei ihm in Ungnade gefallen waren: Er löste sie ab, gab ihnen neue Posten, sie fielen weich. Ehescheidungen und der Umgang mit den Kindern sind private Angelegenheiten, die wir hier nicht zu „entdecken“ brauchen. Herzlichkeit einerseits, cholerische Ausbrüche (v.a. in den frühen Jahren) andererseits, Unsicherheit neben Selbstüberschätzung - er war ein Mensch in seinen Widersprüchen. Und zwar, unternehmerisch wie politisch, einer der Großen.

Axel Springer: Mut zur Kontroverse. Fernsehgespräch mit Gerhard Löwenthal, ZDF, 2.5.1982. Online:  https://www.youtube.com/watch?v=uLbU8-bMU-I
Axel Springer. Ein deutscher Verleger. Fernsehbiografie mit Zeitzeugen, Bayerischer Rundfunk für die ARD, 2012. Online:
https://www.youtube.com/watch?v=2lvEKZcKqHA
Gerhard Naeher: Axel Springer. Mensch Macht Mythos. Erlangen 1991
Hans-Peter Schwarz: Axel Springer. Die Biographie. Berlin 2008
Zu speziellen Fragestellungen:
Kai Axel Aanderud: Axel Springer und die Deutsche Einheit. Hamburg 2019
Peter Hoeres: Reise nach Amerika. Axel Springer und die Transformation des deutschen Konservatismus in den 1960er und 1970er Jahren. In: Zeitgeschichtliche Forschungen, Heft 1/2012, online: https://zeithistorische-forschungen.de/1-2012/id=4528
Gernot Uhl: Mit Axel Springer in Berlin. Gegen die Mauer (Die Bibliothek der Wagemutigen). E-book, 2017

Das Grab Axel Springers:  https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Friedhof_Nikolassee_-_Grab_Axel_Springer.jpg 

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