Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

Die Einstellung der Israelis zu Deutschland und den Deutschen

Nach dem Holocaust schien es äußerst fraglich, ob es überhaupt wieder geregelte deutsch-jüdische Beziehungen geben könne.  Ein beachtliches Zeichen setzte der erste Bundeskanzler. Im Gespräch mit Journalisten der „Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland“ am 25. November 1949 sprach Konrad Adenauer seine Absicht aus, die NS-verursachten „wirtschaftlichen Schäden" „jüdischer Staatsangehöriger“ zumindest materiell auszugleichen und als erstes Zeichen Waren im Wert von zehn Millionen Mark zum Zwecke des Aufbaus nach Israel zu geben. Damit beginnend hat die  Bundesrepublik Deutschland in den kommenden Jahrzehnten einen langen Weg zurückgelegt. Zu einer Vertrauensbildung oder auch nur zur Verbesserung der Beziehungen trugen sicher nicht nur offizielle Maßnahmen bei, sondern auch die leicht zu belegende Abnahme des Antisemitismus (vgl. u.a.: Werner Bergmann: Antisemitismus in Deutschland von 1945 bis heute. In: Samuel Salzborn (Hrsg.): Antisemitismus. Geschichte und Gegenwart. Gießen 2004, S. 51-80).

Dementsprechend, gerade auch angesichts des Generationenwechsels, wandelte sich allmählich die öffentliche Meinung in Israel. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2015 unterstreicht dies: 1991 - kurz nach der Wiedervereinigung und unter dem belastenden Eindruck des Kuwait-Kriges - hatten 46 Prozent der jüdischen Israelis eine "ziemlich gute" und zwei Prozent eine "sehr gute" Meinung von Deutschland, während 30 Prozent eine "ziemlich schlechte" und zehn Prozent eine "sehr schlechte" Meinung äußerten. 2007 gaben 50 Prozent der Israelis eine "ziemlich gute" und sieben Prozent eine "sehr gute" Meinung über Deutschland an, 22 Prozent eine "ziemlich schlechte" und zehn Prozent eine "sehr schlechte" Meinung. 2013 maßen die Demoskopen von TNS Emnid bei 56 Prozent der Israelis eine "ziemlich gute" und bei zwölf Prozent eine "sehr gute" Meinung, bei 16 Prozent eine "ziemlich schlechte" und bei acht Prozent eine "sehr schlechte" Meinung (vgl. Steffen Hegemann/Roby Nathanson: Deutschland und Israel heute. Verbindende Vergangenheit, trennende Gegenwart? Gütersloh 2015, S. 35). Es ist also leicht zu erkennen, dass sich das Bild der Israelis von Deutschland in den letzten 25 Jahren stetig verbessert hat. Was sind die Gründe? Auch hier wollen wir die Israelis selbst zu Wort kommen lassen. Wenn Israelis heute eine wohlwollendere Einstellung gegenüber Deutschen aufweisen, liegt es daran, dass - wie Dreiviertel der Israelis erklärten - „das Deutschland von heute ein anderes Deutschland ist“. Dies ergab 2009 eine Erhebung des Richard-Koebner-Instituts für Deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Noch um 1989 soll nach Auskunft des Institutsleiters Moshe Zimmermann nur jeder zweite Israeli dieser Meinung gewesen sein (vgl.: Inge Günther: Sogar Volkswagen geht wieder. In: Berliner Zeitung, 13.7.2009).

Auch wenn im Jahr 2015 manche deutsche Zeitungen einen Reisetrend junger Israelis nach Berlin erörtern und sogar die Makkabi-Spiele in der deutschen Hauptstadt stattfinden, möchte der Verfasser davor warnen, die Beziehungen als "unbelastet" und völlig "normal" anzusehen. Während 2013 mehr als Dreiviertel der Deutschen hierzulande nur wenige oder fast keine Antisemiten verorteten, vermuteten im gleichen Jahr 41 Prozent der Israelis eine große Zahl von Personen mit judenfeindlichen Einstellungen (Bertelsmann-Studie, a.a.O., S. 38). Nach wie vor ist die Shoah für die Israelis bewusstseinsprägend, was angesichts der sechs Millionen Ermordeten und unzähligen Verfolgten auch kaum anders sein kann. Die Beziehungen mögen gut sein, es mag ein breiter Austausch stattfinden, aber: sie sind sensibel und bleiben von singulärer, besonderer Art.

 

Wie wird die Zukunft aussehen?

Es ist zu befürchten, dass durch eine verstärkte Immigration aus arabisch-muslimischen Ländern wie etwa Syrien ein antisemitisches Potenzial anwächst, das bereits heute bei manchen Deutschen und mehr noch bei Muslimen in Deutschland nachweisbar ist und das Gesamtbild unseres Landes beeinträchtigen wird (extrem hasserfüllt: die Gaza-Demonstrationen 2014!). Selbst der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sprach im Februar 2015 von berechtigten Ängsten der Juden hierzulande, nachdem Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, ein gewisses Risiko für Kippa-tragende Juden in muslimisch geprägten Stadtvierteln hierzulande erörtert hatte. Der Schaden  für den öffentlichen Frieden hierzulande und für Deutschlands Außenwirkung insbesondere in Israel wird beträchtlich sein, zumal judenfeindliche Beleidigungen oder Gewalttaten durch Internet und Fernsehen in einen weltweiten Umlauf geraten können. 

Weiterführender Hinweis:

Zum 50-jährigen Jubiläum des deutsch-israelischen Botschafteraustausches begann im Oktober 2015 in Berlin eine Ausstellung unter Federführung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, die anschließend in 13 weiteren deutschen Städten zu sehen sein wird. Der Verfasser ist Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Arbeitsgemeinschaft Frankfurt. 


Der Verfasser ist Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Arbeitsgemeinschaft Frankfurt. 

© Stefan Winckler

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