Politikwende im Nachbarland? Der neue Ministerpräsident des Königreichs Belgien: Bart De Wever
Belgien hat eine föderale Regierung mit einem neuen Premierminister an der Spitze: Bart De Wever.
Wer ist dieser Politiker, den viele, kürzlich auch Markus Söder, als Rechtspopulisten bezeichnen?
Bart (Albert) De Wever wurde 1970 in Mortsel nahe Antwerpen geboren. An der Universität Löwen studierte er Geschichte. Danach wandte er sich der Politik zu und wirkte ab dem Jahr 2000 als Stadtrat in Antwerpen. Im Jahr 2003 trat De Wever der neu gegründeten Nieuw-Vlaams Alliantie (Neu-Flämische Allianz) bei, einer entschieden flämisch-national orientierten Partei, die nicht mit dem Vlaams Belang zu verwechseln ist. VB setzt stärker auf Separatismus, während De Wever eine Evolution bevorzugt, die die belgischen Regionen Flandern und Wallonie aufwertet, während die Föderalregierung (für ganz Belgien) weitere Kompetenzen an die (auch für De Wever) reformbedürftige Europäische Union abgeben soll.
Nach einigen Jahren im flämischen und anschließend im belgischen Parlament gewann De Wever die Wahl zum Bürgermeister von Antwerpen im Jahre 2012. Damit beendete De Wever die Serie der sozialistischen Bürgermeister in Antwerpen seit dem Zweiten Weltkrieg. Was sich kaum jemand für München, Berlin und Hamburg vorstellen kann, setzte De Wever im Jahre 2013 zusammen mit der zuständigen Stadträtin für Soziales um:
Ausländer, die einen Wohnsitz in Antwerpen anmelden, zahlen nicht mehr wie bisher 17 Euro (wie Belgier auch), sondern 250 Euro. Begründung: Ihre Registrierung an einem zusätzlichen Schalter bedeute einen höheren Aufwand für die Stadtverwaltung (vgl. Tagesschau v. 26.2.2013).
Nach den islamistischen Massenmorden in Brüssel im März 2016 äußerte De Wever:
„Wenn ich ehrlich bin, fühle ich die Wut in mir aufsteigen. Große Wut darüber, dass Menschen, die hier geboren wurden, so etwas tun, hier, wo sie viel besser versorgt werden als wo auch immer auf der Welt. Wut, dass die noch von der Gesellschaft unterstützt wurden. Wut, dass bei deren Verhaftung auch noch Leute protestieren. Wut, dass ich in Analysen lesen muss, es sei alles die Schuld der Gesellschaft, die mit dieser Sorte junger Menschen hätte besser umgehen müssen. Da kann ich echt rasend werden. Also ist es besser, zu schweigen, sonst sage ich unvernünftige Dinge und bekomme hinterher Ärger.“
Im Jahre 2022 machte De Wever die europäische Migrationspolitik für zahlreiche Probleme verantwortlich, da viele illegale Einwanderer häufig in kriminelle Kreise geraten.
Den „Woken“ wirft er vor, die westliche Gesellschaft zu kriminalisieren und alles zu verherrlichen, was ihr schadet. Wokismus schaffe eine falsche Identität, die als Deckmantel dienen soll, um andere auszuschließen. Die Heilung für die „balkanisierte Gesellschaft“ sei die Rückkehr zu traditionellen Kulturwerten. Über Genderismus befindet er: „Es besteht kein Zweifel, dass Frauen und Männer biologisch so programmiert sind, dass sie nicht dieselben Ambitionen haben und dass sie sich auch in der Art und Weise unterscheiden, wie sie diese Ambitionen verfolgen“ (The Brussel Times, 4.3.2023).
Mit solchen deutlichen Worten erinnert De Wever an Franz Josef Strauß, dem er mit rhetorischem Talent, gelegentlichen lateinischen Zitaten und seiner Wertschätzung für Kaiser Augustus ähnelt. Nicht zufällig bezeichnete er die CSU als Vorbild.
De Wever verzeichnete als N-VA-Vorsitzender einen leichten Vorsprung vor dem Vlaams Belang bei den Wahlen am 9. Juni 2024. König Philipp beauftragte ihn daher, die Regierungsbildung mit den Vertretern der stimmenstärksten Parteien zu sondieren. Es gelang ihm buchstäblich in „letzter Minute“, eine Fünf-Parteien-Koalition aus N-VA, frankophonen Liberalen und Les Engagés (Ex-Christdemokraten), flämischen Sozialdemokraten und Christdemokraten zu „zimmern“. Das 200 Seiten starke Regierungsprogramm namens „Super Nota“, am 4.2.2025 vorgetragen, ist von Sachzwängen der Finanz- und der Innen-/Justizpolitik diktiert. Die Neuverschuldung ist rasch zu reduzieren, bis 2030 ist eine Quote von drei Prozent des BSP angepeilt. Längerfristig ist die Schuldenquote in Relation zum BSP zu senken. Dazu soll die Kapitalertragssteuer auf zehn Prozent verdoppelt werden, aber Kleinanlegern mit gewinnen bis zu 10.000 Euro blieben davon befreit.
„Zur Verbrechensbekämpfung und -prävention sollen vermehrt Gesichtserkennung, KI und biometrische Daten eingesetzt werden.
Gewalttaten sollen konsequent geahndet werden, insbesondere Gewalt gegen Polizisten, Feuerwehrleute, Sanitäter, aber auch gegen Lehrkräfte. Eine Verfahrenseinstellung bspw. wegen Überlastung ist künftig nicht mehr möglich.
Strafen in den Bereichen Drogenkriminalität und Geldwäsche werden drastisch erhöht. Bei kürzlich eingebürgerten Straftätern ist auch ein Entzug der belgischen Staatsbürgerschaft möglich.
Sexueller Missbrauch, insbesondere von Kindern und auch online soll verschärft bekämpft werden.
Der Kampf gegen den Steuerbetrug soll oberste Priorität erhalten.
In Brüssel sollen die sechs existierenden Polizeizonen zu einer einheitlichen Polizeizone zusammengefasst werden“ (Regierung De Wever – Wikipedia)
Wer Asyl beansprucht, aber bereits in einem anderen EU-Land einen Antrag gestellt hat, erhält kein Bleiberecht. Familienzusammenführungen werden erschwert.
Interessant: Der Ausstieg aus der Kernenergie soll gestoppt werden, beabsichtigt ist eine Laufzeitverlängerung – was nicht einfach sein wird, denn die Betreiber arbeiten derzeit an der Stilllegung der Reaktoren.
Wie in anderen NATO-Staaten auch wird der Verteidigungshaushalt erhöht werden. So soll eine weitere Fregatte gebaut werden.
Die vorherige Föderalregierung de Croo bestand aus sieben Parteien aus vier verschiedenen politischen Lagern und hielt über die volle Legislaturperiode von vier Jahren. Eine Prognose, wie stabil die neue Regierung sein wird, kann jetzt nur schwerlich erstellt werden. Versuchen wir es trotzdem: Die genannten Sachzwänge lassen sich mit stärker ideologisierten, radikaleren Parteien wie der marxistischen Partei der Arbeit, den beiden Grünen-Parteien oder VB nicht bewältigen. Diese Tatsache und die Erfahrung De Wevers als Antwerpener Bürgermeister auch im Umgang mit Sozialdemokraten legt nahe, dass aus der Super-Nota keine rasch verglühende Supernova wird. An der Willensstärke De Wevers dürfte die Politikwende von Mitte-Links zur rechten Mitte nicht scheitern. Er brachte es 2011/2012 fertig, von 142 Kilogramm auf 82 Kg abzunehmen: etwas, woran selbst De Wevers Geistesverwandter Franz Josef Strauß gescheitert war.
© Stefan Winckler