Am 1. November 1949 erschien die erste Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie war damit ein „Nachzügler“ verglichen mit den 1945/1946 gegründeten (und lizenzierten) westdeutschen Qualitätszeitungen Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung und Die Welt. Sie ist demnach kaum jünger als die Bundesrepublik Deutschland. Dieser „70. Geburtstag“ war Anlass für Peter Hoeres, Professor für Neueste Geschichte in Würzburg, eine Geschichte der FAZ zu verfassen. Bereits in seiner Habilitationsschrift hat Hoeres politische Entwicklungen und ihre mediale Begleitung sehr überzeugend untersucht („Außenpolitik und Öffentlichkeit. Massenmedien, Meinungsforschung und Arkanpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen von Erhard bis Brandt“, München 2013).
Ausschlaggebend waren für den in Frankfurt aufgewachsenen Historiker die Fragen:
„Woran erinnern sich die Zeitzeugen besonders und übereinstimmend?“ „Was hat Niederschlag in unpublizierten Quellen unterschiedlicher Provenienz gefunden?“, „Wie und unter welchen Aspekten wurde die FAZ von außen wahrgenommen, in anderen Medien, in der Politik, in der Wirtschaft und im Kulturbetrieb?“ Dass der Autor wissen wollte, wie großen Ereignisse - „1968“, Deutsche Einheit etc. in der FAZ beschrieben wurden, versteht sich von selbst. Auch die großen, von der FAZ begonnenen Debatten wie der „Historikerstreit“ werden erwartungsgemäß beleuchtet.
Erstmals konnte mit Hoeres ein Forscher das hauseigene Archiv der FAZ nutzen, wo sich unter anderem die Akten des langjährigen Herausgebers Ernst Welter, die Akten der Geschäftsführung, Protokolle der Herausgeber- und Redaktionskonferenzen befinden. Nachlässe von Herausgebern wie Jürgen Tern und Paul Sethe aus dem Bundesarchiv wurden herangezogen.
Bei diesem Buchprojekt handelte es sich nicht um eine Auftragsarbeit der FAZ, vielmehr wurde es von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. In enger Verbindung zur Gesamtgeschichte der FAZ steht die derzeit in Würzburg entstehende Promotionarbeit von Roxanne Narz über die Geschichte des FAZ-Feuilletons in der Ära Karl Korn. Gleiches gilt für die Dissertation von Frederic Schulz (Würzburg) über das Politikressort der FAZ von 1949 bis 1989, wobei insbesondere die Jahre 1969-74, also die Zeit von Willy Brandts Kanzlerschaft, den Schwerpunkt bilden werden. Maximilian Kutzer hat seine Doktorarbeit über die Geschichte der FAZ-Wirtschaftsredaktion (1949-92) mit ihrer Verbindung zu Politik und Wirtschaft abgeschlossen. Diese Arbeiten werden im Verlag Mohr Siebeck in einer medienhistorischen Reihe unter der Herausgeberschaft von Dominik Geppert und Peter Hoeres erscheinen.
Die 480-seitige Monografie von Peter Hoeres über die Frankfurter Allgemeine Zeitung kann mit Nachdruck empfohlen werden – als Standardwerk für FAZ-Leser, Historiker und Publizistikwissenschaftler. Nicht nur die Leistungen einzelner Frankfurter Journalisten werden beschrieben, sondern auch der Charakter der betreffenden Personen selbst. Am ausführlichsten (und sehr gut nachvollziehbar): Marcel Reich-Ranicki und Frank Schirrmacher, außerdem Adelbert Weinstein. Der Rezensent war hingegen von der Einschätzung Hoeres', Mit-Herausgeber Joachim Fest habe sich aus einer Art intellektueller Arroganz heraus gegenüber der politischen Redaktion sehr distanziert gegeben, verwundert. War nicht Fest ein Konservativer, der große Liberalität im Umgang mit anderen bewies, schon während seiner Zeit als „Panorama“-Redaktionsleiter?
Peter Hoeres: Zeitung für Deutschland. Die Geschichte der FAZ. München 2019
© Stefan Winckler