Die Bruderschaft der armen Ritter Christi und des salomonischen Tempels war der erste militärische Ritterorden. Zwar existierte vorher schon der Orden der Hospitaliter, später Johanniter genannt. Doch dabei handelte es sich um eine Gemeinschaft mit dem Zweck der Krankenpflege, die erst nach Gründung der Templer Kampfaufgaben übernahm. Die Templer verbanden nicht nur Mönch- und Rittertum, vielmehr „entstand kriegsgeschichtlich seit Jahrhunderten zum ersten Mal wieder ein Heer, das nicht nur von Zeit zu Zeit unter Einhaltung einer wachsenden Zahl rechtlicher Beschränkungen aufgeboten werden konnte, sondern dauernd bereit und auch im Einsatz stand“.1
Eine Gründungsurkunde gibt es nicht. Selbst das Gründungsjahr ist umstritten. Meyers Enzyklopädie und der Brockhaus nennen das Jahr 1119.2
Hingegen geht der Mediävist Alain Demurger von 1120 aus.3 Darin folgen ihm Dieter H. Wolf in seinem Internationalen Templer-Lexikon 4, sowie die Fachkollegen Malcolm Barber5 und Rudolf Hiestand6.
Demurger, Barber und Hiestand bestimmen das Datum durch eine Rückrechnung. Im neunten Jahr vor dem Konzil von Troyes soll der Orden gegründet worden sein. Doch auch die Datierung dieses Konzils ist umsicher: sowohl Januar 1128 als auch Januar 1129 (so Hiestand) werden angenommen. Außerdem: In jener Zeit begann das Jahr mit dem 25. März. In Troyes erhielt der Templerorden eine eigene Regel.
Auch für das Jahr 1118, von Wikipedia zitiert, gibt es mindestens einen ernstzunehmenden Beleg: Der Chronist Wilhelm von Tyrus (der später, von 1130 bis 1186 lebte) schreibt: „Im selben Jahr [1118] begaben sich einige edle Ritter, die voll Verehrung Gottes, gläubig und gottesfürchtig waren, in die Hand des Herrn Patriarchen der Kirche und gelobten, für immer nach der Ordensregel der Kanoniker leben zu wollen, Keuschheit und Gehorsam zu wahren und jeden Besitz abzulehnen. Die vornehmsten und wichtigsten waren zwei ehrwürdige Männer, Hugo von Payens (auch: Hugo de Payns) und Gottfried von Saint-Omer...“ 7, die mit sieben weiteren (deren Namen bekannt sind) begannen. Sie waren französischer Herkunft.
Marie Luise Bulst-Thiele8 und das Templer-Lexikon9 der Universität Hamburg setzen das Jahr 1119 an, während Helen Nicholson10 und Jürgen Sarnowsky11 vorsichtigerweise „um 1119“ schreiben.
Meines Erachtens – in Anlehnung an Sarnowsky – bildete sich der Orden als Gemeinschaft 1119, während die „offizielle“ Bestätigung bzw. Zulassung durch das Königreich Jerusalem im Januar 1120 auf einer Notablenversammlung in Nablus erfolgte. Insofern ist es nicht falsch, eine Entstehen des Ritterordens im Jahr 1119 und einer formalen Anerkennung 1120 anzunehmen.
Ursache und Anlass
Das Heilige Land war nach dem Ersten Kreuzzug teilweise entvölkert und bitterarm. Muslimische und einheimische christliche Räuberbanden überfielen Pilger und Siedler aus dem Abendland, die bei den christlichen Syrern sehr unbeliebt waren. Unsicherheit regierte! Ein Massenmord an rund 300 christlichen Pilgern im Jordantal in der Osterzeit 1119 dürfte die Gründung des Ritterordens veranlasst haben
Eine „heilige“ Neun?
Neun Ritter sollen sich zum Geleitschutz für Pilger zusammengefunden haben. Es fällt jedoch auf, dass uns diese Zahl wiederum in der Jahresangabe zwischen Gründung und Konzil begegnet.
Waren es wirklich neun Männer? Es könnte sich auch um eine symbolische Zahl gehandelt haben – Dante Alighieri verwendete mehrfach die Neun als Quadratzahl der Drei (Dreifaltigkeit!). Meines Erachtens ist auch darüber hinaus eine erste Gemeinschaft von neun Rittern denkbar – wohl wissend, dass sie weitere Ritter und Sergeanten gewinnen mussten, um ihr Vorhaben zu verwirklichen. Tatsächlich schreibt Michael der Syrer12 von 30 Rittern in einer sehr frühen Phase des Ordens. Demnach waren sehr bald Neuzugänge zu verzeichnen.
König Balduin II. von Jerusalem übertrug den kampfbereiten Mönchsrittern einen Teil des einstigen salomonischen Tempels (heute: Al-Aqsa-Moschee). Die ersten Templer lebten nach der Regel der Augustiner-Chorherren (oder der Benediktinerregel13), trugen sehr einfache weltliche Kleidung und lebten von Almosen.14 Ordenstracht, Ordensregel und abendländische Besitzungen folgten einige Jahre später.
1 Rudolf Hiestand: Kardinalbischof Matthäus von Albano, das Konzil von Troyes und die Entstehung des Templerordens. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte, Bd. 99 (1988), S. 295-323, dort S. 296
2 Meyers Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden, Bd. 23: Sue-Tuo, neunte Auflage Mannheim [et al.] 1978, S. 313
Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Auflage Leipzig Mannheim 2006, Bd. 27: Talb-Try, S. 195
3 Alain Demurger: Die Templer. Aufstieg und Untergang 1120-1314, S. 18; Lexikon des Mittelalters, achter Band, München 1996, S. 534
4 Dieter H. Wolf: Internationales Templer-Lexikon, Innsbruck 2003, S. 21 und S. 140.
5 Malcolm Barber: Die Templer. Geschichte und Mythos, Düsseldorf 2005, S. 16.
6 a.a.O., insb. S. 314.
7 Alain Demurger: Die Templer. Aufstieg und Untergang 1120-1314, S. 17
8 Marie Luise Bulst-Thiele: Sacrae Domus Militiae Templi Hierosolymitani Magistri. Untersuchungen zur Geschichte des Templerordens 1118/19-1314. Göttingen 1974, S. 21
9 https://www.templerlexikon.uni-hamburg.de/TDF-P2.html
10 Helen Nicolson: Templars, Hospitallers and teutonic Knights. Images of the Military Orders 1128-1291. Leicester 1993, S.2
11 Jürgen Sarnowsky: Die Templer: München 2009, S. 8
12 Erwähnt in Hiestand, a.a.O., S. 297.
13 So Hans Prutz: Entwicklung und Untergang des Tempelherrenordens. Berlin 1888, S. 2f.
14 John Charpentier: Die Templer. Stuttgart 1965, S. 17
Templerabzeichen am Revers eines gegenwärtigen Ordensritters (OMCT-Tempelritterorden)
© Stefan Winckler