Exkursionen in die Tschechische Republik
Geschichte, Genuss und Erinnerung rund um Ruine Templštejn
Dort, wo am Ufer des südmährischen Flusses Jihlava der ausgeschilderte „Templer-Radwanderweg“ (39 Kilometer lang) an der Burgruine Templštejn vorbeiführt, liegt ein Städtchen namens Oslavany. Schon im 13. Jahrhundert hatten sich Zisterzienserinnen angesiedelt. Die Hussitenkriege machten ihrem Stift zweihundert Jahre später ein Ende. In der Habsburgerzeit erbaute der örtliche Grundherr ein Renaissanceschloss mit Laubengängen rund um den Innenhof. Nach dem Verfall während der Kommunistenherrschaft ist es mittlerweile restauriert. Eine Brauerei, die sich dort während des dreißigjährigen Krieges angesiedelt hatte, musste zwar nach einem Vierteljahrtausend schließen, doch eröffnete im Jahre 2003 in den alten Mauern die „Schlossbrauerei“, wie sie ähnlich beispielsweise auch in Franken mancherorts vorkommt. Sie produzierte ausschließlich für das dezent „gotische" Schlossrestaurant. Die gelegentlich wechselnde Produktpalette bezog sich immer auf die Tempelritter. Im Dezember 2006 präsentierte sie sich historisch passend. Das helle „Novic“ (Novize) war das leichteste Bier mit zehn Grad Plato (entspricht der Stammwürze eines Schankbiers), gefolgt vom „Templar“ (Templer), ebenfalls hell und zwölf Grad stark. Mittelstark war dann das „Komtur“-Bier (13 Grad, hell), das aber im Laufe der Jahre auch in einer bernsteinfarbenen Variante ausgeschenkt wurde. Übertroffen wird es vom „Velmistr“ (Großmeister), einem Festbier, ausgeschenkt in der Weihnachtszeit. Das helle „Templar“ erinnerte an Pilsner Urquell, ist vielleicht etwas milder. Der Gerstensaft erwies sich an einem regnerischen Adventstag als geradezu idealer Begleiter zu Karpfen und Kartoffeln. Jedenfalls war die Schlossbrauerei auf steilem Wachstumskurs: Aus ihrem Internet-Auftritt geht hervor, dass sie ihren Ausstoß von 236 Hektolitern auf 874 Hektoliter 2005 steigerte.
Konsequenterweise bezog die Brauerei vor wenigen Jahren eine neue Produktionsstätte mit größeren Kapazitäten mehrere Kilometer weiter.
Mehr als nur ein Wegweiser zeigt Richtung Templštejn. Von Tempelrittern erbaut, 1269 erstmals erwähnt, bauten die nachfolgenden Besitzer die Burg aus, doch nach Kämpfen in der frühen Neuzeit wurde sie dem Verfall preisgegeben. Der Weg dorthin erwies sich als so holprig, dass er viel besser zu Pferd als mit dem Auto zurückgelegt werden sollte. Passender wäre ein Tandem für zwei Ordensbrüder, in humorvoller Anlehnung an das alte Templersymbol der beiden Ritter auf einem Pferd. Nur wenige Kilometer weiter lockt die Burg Eichhorn/ Veveří, die 1304 sogar Schauplatz einer Templersynode war, an der auch der zweite Mann des gesamten Ordens, Hugo von Pairaud teilnahm. Im Übrigen ist der Landkreis südwestlich von Brünn die Heimat des Jugendstilmalers Alfons Mucha, der als Junge schon so manche Skizze in die Kirchenbank seiner Pfarrgemeinde geritzt haben soll. Aber das ist eine andere Geschichte…
Weiterführende Informationen:
www.oslavany-mesto.cz/historie-zamku-oslavany/d-79055
https://www.templstejn.cz/en/hrad-templstejn/
© Stefan Winckler
Auf den Spuren Metternichs
Der große deutsche Staatsmann Europas im 19. Jahrhundert war Clemens Wenzel Lothar von Metternich-Winneburg. Auch wenn sein Leben gut erforscht ist (zuletzt: Wolfram Siemann: Metternich. Staatsmann zwischen Restauration und Moderne. München 2010) ist der Ort seines Grabes auch Professoren der Neueren Geschichte unbekannt (üblicherweise tippen sie auf Schloß Johannisberg im Rheingau oder auf Wien). Doch Metternich ist auf seinem einstigen Besitz Plass/Plasy 23 Kilometer nördlich von Pilsen in Böhmen bestattet. Sein Grab war das Ziel einer Reise des Verfassers mit dem Kieler Historiker Professor Helmut Grieser im Juni 2010. Hier ist der Bericht.
Zuerst waren wir in der kleinen, aber gepflegten Kurstadt Marienbad/Marianske Lazne. Die meisten Häuser in der Hauptstraße wirken wie Grand Hotels aus der späten Kaiserzeit. Überhaupt ist die Bausubstanz in einem nahezu einwandfreien Zustand. Denkmäler erinnern an die beiden deutschen Stadtgründer ebenso wie an den Kurgast Goethe, nach dem auch ein Platz und weitere Monumente benannt sind. Eine Befangenheit gegenüber der deutschen Vergangenheit war nirgendwo zu spüren (auch sonst wird in Tschechien der deutschen Personen der jeweiligen Lokalgeschichte ohne Vorbehalte gedacht, so z.B. in Trescht/Trest Joseph Schumpeter in einem kleinen Museum, oder Gustav Mahler in Iglau/Jihlava). Für den Historiker ist das Schloß Königswart/Kynzvart wenige Kilometer weiter, dicht an der Grenze zu Bayern, mindestens ebenso eine Reise wert. Es liegt etwa auf der Höhe von Waldsassen (ebenfalls sehenswert) und Marktredwitz. Metternich weilte recht oft in diesem Schloss, das er im Stile des Empire umgestalten ließ, z.B. während der Pariser Julirevolution, wo er sich mit dem befreundeten Wahl-Wiener Friedrich von Gentz traf, und wo er 1835 auch den neuen österreichischen Kaiser Ferdinand empfing. Wenn möglich steigt der Besucher im Schlosshotel Metternich ab – ja, dieser Name steht in deutscher Sprache gleich zweimal auf der Fassade, ebenso der tschechische. Auch an der Rezeption kann der Reisende geradezu selbstverständlich auf Deutsch bedient werden. Eigentlich handelt es sich bei diesem Bau um die umgebauten Wirtschaftsgebäude (sprich: Ställe und Lagerhäuser) des Schlosses. Noch vor wenigen Jahren war er in einem furchtbaren Zustand, da die Kommunisten nach dem Motto „Ruinen schaffen ohne Waffen“ geherrscht hatten. Das Schlossrestaurant (auch auf deutsch angeschrieben!) bietet eine vorzügliche tschechische Küche und das entsprechende Pilsner Urquell von Fass. Selbstverständlich ist in den besseren Restaurants jenes Landes, dass es eine Speisekarte in deutscher Sprache gibt, und das Personal deutsch spricht. Das Schloss selbst enthält eine riesige Bibliothek von 25000 Bänden bis hin zur den Anfängen des Buchdrucks, ein Kuriositätenkabinett mit Gegenständen historischer Persönlichkeiten (u.a. Metternichs Brille) sowie die Gemälde, Schusswaffen u.ä., die ganz einfach erwartet werden können.
Metternich ließ in Plass/Plasy eine Kapelle für sich, seine drei verstorbenen Ehefrauen und fünf seiner Kinder im klassizistischen Stil umbauen. Sie ist abgeschlossen, doch kann der Schlüssel im Rathaus der kleinen Stadt geholt werden. Warum hat sich der Staatskanzler für dieses Nest weitab von Wien und fern seiner mittelrheinischen Heimat entschieden? Metternich war ab 1826 im Besitz eines riesigen barocken Klosterareals, das heute wieder besichtigt werden kann. Es war für ihn und seine Familie von wirtschaftlicher Bedeutung, zumal er dort Gewerbebetriebe wie etwa eine Gießerei ansiedelte. Hier bröckelt der Putz zwar noch gewaltig, doch ist die Renovierung in Angriff genommen. Eine Führung durch die wichtigsten Räume nimmt 50 Minuten in Anspruch, wobei vor allem eine barocke Wendeltreppe auffällt. Im Zuge von Flucht und Enteignung ist die Innenausstattung allerdings weitgehend verschwunden.
Im gleichen Ort befindet sich ein Gasthof, der nach dem hochbegabten, aber politisch schwachen Kaiser Rudolf II. (1576-1612) benannt ist. Das Restaurant ist wie ein Jagdschlösschen eingerichtet, die Speisen und Getränke hätten auch einen Metternich oder Bismarck nicht enttäuscht. Hausspezialitäten werden nach mittelalterlichen Rezepten gekocht.
Was lernen wir aus alldem? Nicht nur, wo Metternich sich des Öfteren aufhielt. Sondern: welches Glück es ist, dass es den Eisernen Vorhang mitsamt seiner Sperrgebiete nicht mehr gibt, so dass wir ohne jede staatliche Behinderung historische Exkursionen vornehmen und Menschen treffen können, und all dies noch in deutscher Sprache genießen können. Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg ist von Vorbehalten gegenüber Deutschen nichts mehr zu spüren. Wir sollten die unabänderlichen dunklen Kapitel der Vergangenheit hinter uns lassen (es sei denn, sie werden wissenschaftlich seriös erforscht) und stattdessen das Gemeinsame in Geschichte und Gegenwart wahrnehmen. Es gibt so viel davon. Und anders lässt sich die Zukunft nicht gestalten.
Weiterführende Texte und Fotos:
www.kynzvart.cz (auch auf deutsch)
www.klaster-plasy.cz (auch auf deutsch)
www.rudolf-II.cz/index.php?stranka =Einleitungsseite (auch auf deutsch)
© Stefan Winckler