Stefan Winckler
Historiker und Buchautor


Vor Ort in Bethlehem und Jerusalem

Kein Zweifel, eine meterhohe Sperranlage zwischen zwei Städten und zwei Völkern hat etwas Bedrückendes. Aber im Gegensatz zur Berliner Mauer kann sie Leben retten, anstatt Menschen zu zerstören. Als es der palästinensischen Autonomiebehörde nicht gelang, Terroristen an Suizidbombenattentaten gegen Israelis zu hindern (hatte sie es überhaupt versucht?) errichtete Israel ab 2002 einen Zaun zwischen seinem Kerngebiet und dem Westjordanland. An einigen wenigen Stellen – bei Bethlehem – ist er zum Betonwall ausgebaut, da von dort besonders viele Selbstmordbomber Richtung Jerusalem gestartet sind. Tatsächlich sank seitdem die Zahl jener politisch motivierten Morde sehr stark ab.

Vielleicht ist ein derartiges „Bauwerk“ notwendig, nachdem die Zweite Intifada ab 2000 viele israelische Zivilisten das Leben kostete und die Palästinensische Autonomiebehörde nach wie vor Terroristen und ihre Familien mit erheblichen Geldbeträgen unterstützt.1 Gewalttäter gegen Israelis gelten ihr grundsätzlich als „Märtyrer“. Nach einem solchen Terroristen, Khalil Al-Wazir Abu Jihad, benannte der Autonomiechef Mahmud Abbas am 16.6.2019 ein Gebäude der Universität in Jericho – der Mann war „Chefplaner“ u.a. des Münchner Olympia-Terroraktes. In den Schulen werden die Araberkinder mit Hasspropaganda gegen Israel aufgehetzt.2 Frieden sieht wahrlich anders aus...

Um über die Zustände im Westjordanland urteilen zu können, brauchen wir – selbstverständlich – Kenntnisse. Daran mangelt es. Zwar lesen wir oft, Israel habe militärisch „angegriffen“, Palästinenser getötet u.ä. Aber wir erfahren zu wenig, was vorausgegangen war, etwa Raketenbeschuss oder politisch motivierter Mord. Zwar sind Schikanen im Alltagsleben, unnötige Wartezeiten, Demütigungen durch Soldat(innen), neue Siedlungen teilweise auf arabischem Boden bittere Realität. Aber zuweilen werfen Dutzende arabische Jugendliche Steine auf die Kontrollposten, die manchmal um ihr Leben fürchten. Immer wieder inszenieren Araber „Zwischenfälle“, bearbeiten Fotos mit entsprechender Software in einem propagandistischen Sinne, versehen Bilder mit falschen Unterschriften, verfälschen Schnittfolgen von Videobeiträgen. „Pallywood“ lebt, und das geht nicht ohne Wirkung auf Fernsehzuschauer in aller Welt. Dagegen bleiben manche Gewalttaten von Arabern gegen andere Araber unbeachtet: Wer hat schon erfahren, dass in der Nacht zum 13.5.2019 Vandalen in die maronitische Kirche von Bethlehem einbrachen, sie entweihten und ausraubten? Dies war nicht die einzige Kirchenschändung: Das gleiche Gotteshaus erlebte 2015 einen schweren Brandanschlag. Die Regierungspartei Fatah mahnt Christen, derartige Verbrechen nicht öffentlich zu machen, um ein schlechtes Image „Palästinas“ zu vermeiden. Im übrigen ist der Islam laut dem palästinensischen Grundgesetz Art. 4 die „offizielle Religion“, die Grundsätze der Scharia die „Hauptquelle der Gesetzgebung“. Diese Tendenz war die Hauptsorge des langjährigen Bethlehemer Bürgermeisters Elias Freij, der die Übergabe seiner Stadt von der israelischen Armee an die PLO-Autonomieverwaltung nur ungern hinnahm.

Die Bethlehemer machen in Gesprächen aus ihrer Unzufriedenheit mit der Gegenwart jedoch keinen Hehl. Die israelische Besatzung zwischen 1967 und 1993 sei besser gewesen als die gegenwärtige Autonomie, erklärte eine Kunstgewerbeverkäuferin dem Verfasser. Damals seien viel mehr Arbeitsgenehmigungen für das israelische Kernland ausgestellt worden; die Bewegungsfreiheit war wegen der fehlenden Kontrollpunkte weit höher gewesen.

Hass und Verbitterung sind jedenfalls zu groß, um sich einen Frieden vorstellen zu können. Was lief falsch, und was ist zu tun?

Pläne, die den Konflikt zwischen Israelis und palästinensischen Arabern endgültig zu lösen beanspruchten, scheiterten oder sind von vornherein untauglich. Die geschichtliche Erfahrung lehrt uns das Versagen der Utopien. Hier sind nicht die „großen Entwürfe“ gefragt, sondern Versuche, in kleinen Schritten Verbesserungen zu erreichen oder zumindest Verschlechterungen abzuwenden. Es kann wohl nur der Weg zu einem geregeltes Nebeneinander gemeint sein, das den Alltag der einzelnen Menschen erleichtert: Ein besseres Leben für die Araber im Westjordanland kann es nur geben, wenn ihre Führer die Konfrontation beenden und kompromissfähig werden, also Maximalforderungen aufgeben. Die Autonomiebehörde müsste sich von Hasspropaganda und Märtyrerverehrung samt Zuwendungen an Terroristen(familien) verabschieden. Sie (und die Palästinenser im allgemeinen) müssten die Realitäten der vergangenen Jahrzehnte stillschweigend akzeptieren, anstatt von einer Rückkehr aller Nachkommen der einstmals geflohenen/vertriebenen Palästina-Araber nach Israel zu fantasieren und Jerusalem teilen zu wollen. Dann wird auch Israel manche Härte beenden, ja Zugeständnisse machen – bereits in der Vergangenheit präsentierten die israelischen Ministerpräsidenten Barak und Olmert einige Konzepte von der teilweise Räumung der Westbank von jüdischen Siedlungen bis hin zum vollendeten Rückzug aus Gaza, die der anderen Seite aber nicht weit genug gingen.

Wesentlich ist die glaubhafte Vision eines materiell besseren, gesicherten Lebens für die Araber im Westjordanland. Daher ist zu prüfen, welche ökonomischen, ökologischen und infrastrukturellen Projekte mit Israel und Jordanien gemeinsam angegangen oder weitergeführt werden können, am besten unter Einbeziehung weiteren ausländischen Kapitals. Wenn derartige Überlegungen allerdings ohne Einbeziehung der Autonomiebehörde angegangen werden, ist deren Scheitern nicht allzu verwunderlich. 

           

1https://www.audiatur-online.ch/2018/04/05/palaestinensische-autonomiebehoerde-geld-an-terroristen-jetzt-ganz-offen/

2Video: https://www.audiatur-online.ch/2016/06/21/die-unrwa-und-der-terror-aufstachelung-in-palaestinensischen-schulen.

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Gesehen in Bethlehem Juni 2019. 

© Stefan Winckler

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