"Löwenthal trat in tausenden Versammlungen in die Arena der Zeitgeschichte. Er schrieb auch Bücher und wertet zur Zeit seine umfangreichen Stasi-Akten für ein neues Projekt aus. Über ihn erschien jüngst eine biographische Studie, in der Stefan Winckler viele interessante Details vermittelt (Gerhard Löwenthal. Ein kritischer Journalist aus Berlin, Snayder-Verlag, 39,80 Mark). Morgen wird Löwenthal 75 Jahre".
Die Dissertation von Stefan Winckler im Fach Geschichtswissenschaften rezensierte der Zeithistoriker Daniel Koerfer, Professor in Potsdam, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2.1.2012, S. 8:
"Der Kerl muss weg", meinte Mielke. Gerhard Löwenthals leidenschaftlicher Kampf gegen die Verklärung des Ulbricht- und Honecker-Regimes
"Was die Medien der Bundesrepublik an Blindheit und Wunschdenken gegenüber der alten DDR offenbarten, kann im Nachhinein nur als beschämend bezeichnet werden. Es herrschte die Tendenz vor, mit der Politik zu wetteifern, möglichst stabilitätsorientiert zu berichten. Wer möchte sich schon als Entspannungsgegner oder Antikommunist bezeichnen lassen?" Das schrieb unmittelbar nach dem Mauerfall 1992 Jens Hacker in seinem bitteren Buch über "Deutsche Irrtümer: Schönfärber und Helfershelfer der SED-Diktatur im Westen". Einen Mann mit seiner Sendung - hier im doppelten Sinne - nahm Hacker schon damals von diesem vernichtenden Verdikt aus: Gerhard Löwenthal mit seinem "ZDF-Magazin". Stefan Winckler wurde bei seinen umfassenden Recherchen über den Journalisten und Moderator oft mitleidig belächelt und oder stieß auf Unverständnis. Was der nicht ein halber Nazi, zumindest rechtsradikal? Dabei handelte es sich um einen Mann, den der Magistrat von Groß-Berlin 1945 als "Opfer des Faschismus" anerkannt hatte, Sohn eines orthodoxen jüdischen Deutschen, dessen - bis auf den Vater - jüdische Verwandte sämtlich ermordet wurden.
Der 1922 geborene Gerhard Löwenthal wird nach dem Novemberpogrom 1938 in jenes KZ Sachsenhausen eingeliefert, das bald als "Speziallager" von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) weiter "genutzt" werden sollte. Im Krieg trägt er den gelben Stern, nach der Gestapo-Verhaftung - weil er anderen untergetauchten Juden geholfen hatte - entgeht er nur mit viel Glück und verwandtschaftlichen Beziehungen der Mutter der Deportation und überlebt in einem kriegswichtigen Optikerbetrieb, der auch die Brillen Heinrich Himmlers repariert. Ihm rettet schließlich das Kaddish das Leben, weil er es dem schussbereiten Rotarmisten nach dem hastigen Dialog "Nicht schießen, ich bin Jude"/"Du lügen, Du SS, alle Juden tot" vorsingen kann. Er hat später nie ein Wort darüber verloren. Er hat seine Biographie, die ihn stärker gegen alle Anwürfe immunisiert hätte, später nicht instrumentalisiert, sondern seine zahlreichen Anfeinder still verachtet.
Aber im biographischen Ur- und Untergrund von Gerhard Löwenthal ist das nur die erste Hälfte seiner antitotalitären "Grundimpfung". Die zweite Dosis folgt in den Berliner Jahren des Kalten Krieges. Auch wenn die Studie bisweilen etwas verschachtelt daherkommt, steckt sie voller zeitgeschichtlicher Pointen. Löwenthal, beim RIAS mit einer eigenen Ratgeber-Sendung ausgestattet, berichtet 1948 so scharf von der kommunistischen Gleichschaltung der Universität Unter den Linden, dass ihm die SED-Verwaltungsdirektorin mitten in der Reportage das Mikrofonkabel durchtrennt. Sein hier erstmals etwas breiter gewürdigtes Engagement beim Aufbau der Freien Universität - in den offiziellen Darstellungen sucht man seinen Namen vergeblich - ist die logische Konsequenz.
Auf einem Studentenkongress in Leipzig tritt er mutig gegen die SED-Gleichschaltung auf - der Delegierte der Humboldt-Universität schickt der Tagungsleitung daraufhin eine Botschaft: "Ich würde Löwenthal herausstellen (Strafvollzug Ostzone/Volksgerichtshof). Löwenthal muss man angreifen". Politisch neigt er der SPD zu, bewundert Ernst Reuter, den Regierenden Bürgermeister Willy Brandt. Für seinen Schwiegervater Ernst Lemmer, Adenauers gesamtdeutschen Minister, ist er "der rote Gerhard". Kein Wunder, dass ihn der Fernsehrat im Frühjahr 1968 einstimmig, auch mit den Stimmen der SPD und "SPD-Freunde" mit der Leitung des "ZDF-Magazins" betraut. Im Zuge von APO und Ostpolitik trennen sich die Wege jedoch rasch. Löwenthal hält die rebellierenden Studenten für marxistische Wirrköpfe, die einem neuen Totalitarismus (und Terrorismus) den Boden bereiten - und sagt das an allen namhaften Universitäten öffentlich. Sofern man ihn lässt. Stinkbomben, Trillerpfeifen, Buttersäure werden seine unvermeidlichen Begleiter. "Verhindert Lehrauftrag für Anti-Kommunisten Löwenthal (ZDF!!)". So heißt es auf Plakaten an der Universität Mainz 1971. Er wird geohrfeigt, mit Stühlen beworfen - und von Amtsrichtern kaum geschützt. "Es ist rechtens, sich gegen Figuren wie Löwenthal zu wehren, auf die Mittel kommt es an", urteilt ein Darmstädter Richter, verhängt 100 D-Mark Geldstrafe.
Hauptkonfliktfeld ist die Ostpolitik. Löwenthal wird nicht müde, mit knorrig-knarzender Stimme über fast 20 Jahre hinweg in 585 Magazin-Sendungen die Lebensverhältnisse in der DDR anzuprangern - und die westliche Entspannungspolitik als "Wandel durch Anbiederung" gleich mit. Sein Haupteinwand: "Wir haben viel zu oft, viel zu leicht, viel zu viel nachgegeben." Der Westen habe im psychologischen Kampf des fortdauernden Kalten Krieges den Blick für die brutale Repression und Vernichtung von Lebenschancen auf der anderen Seite verloren. Daher müsse man "wiederholen, wiederholen, wiederholen, dass in der DDR Menschen unwürdig behandelt werden, obwohl sogar eigene Redakteure über diese Konzentration auf bestimmte Themen stöhnen". Auch die sozialliberale Bundesregierung stöhnt. Sozialdemokraten kommen nicht mehr in die Sendung - und können so hinterher noch leichter die "mangelnde Ausgewogenheit" rügen.
Im Fernsehrat, über den im Band nur in Andeutungen berichtet wird, muss es oft hoch hergegangen sein. Helmut Kohl, dem Löwenthal reserviert begegnet - er ist mittlerweile zum glühenden Anhänger von Franz Josef Strauß geworden - paukt ihn mehr als einmal heraus. Aber das ZDF knickt ein. 1973 wird seine Sendung nur noch alle 14 Tage und nicht mehr wöchentlich ausgestrahlt und am Ende wird e schließlich auch ganz ohne Dank und Würdigung "verabschiedet" werden.
Löwenthal lässt sich nicht beirren. "Hilferufe von drüben" heißt ein neuer Sendebestandteil. Er stellt - bis zu viermal - Einzelschicksale von Häftlingen vor, erreicht jedes Jahr die Freilassung/den Freikauf von etwa 200 der vielen tausend, die sich an ihn wenden. In Ost-Berlin ist er Staatsfeind Nr. 1. Immerhin 16 der 25 MfS-Aktenbände, die sich mit ihm beschäftigen, sind erhalten. Kann man ihm - notfalls mit gefälschten Dokumenten - eine Zusammenarbeit mit der Gestapo anhängen? Sind Briefbomben das geeignete Mittel? Karl Eduard von Schnitzlers "Schwarzer Kanal" reicht eindeutig als Agitprop nicht aus. "Der Kerl muss weg", soll Stasi-Minister Erich Mielke mehr als einmal verlangt haben. Die westlichen Dienste halten die Bedrohungslage Löwenthals durch RAF-Terroristen für extrem hoch; er bekommt nach der Schleyer-Entführung bis über das Ende seiner Sendung 1987 hinaus Personenschutz.
Denn er polarisiert weiter, kämpft - als Folge des NATO-Doppelbeschlusses - für die Stationierung westlicher Raketensysteme und gegen die wachsende Friedensbewegung, bei der er "viele Gesinnungspazifisten, viele ehrenwerte, gutgläubige, aber auch naive junge Menschen" ausmacht, deren Organisatoren aber vielfach wie beim DGB aus dem kommunistischen Umfeld stammen und von dort Finanzmittel erhalten würden. Das war ganz falsch nicht, wie wir heute wissen. Aber es spielte in der medialen Wirklichkeit der Bundesrepublik keine Rolle, denn die überwältigende Mehrheit der Meinungsmacher sah das anders. Löwenthal stand in der westdeutschen Öffentlichkeit weitgehend allein, bekämpfte die sich nach links drehende Schweigespirale, war - wie seine Vertraute Elisabeth Noelle-Neumann feststellte - lange neben Axel Springer einer der wenigen Sprecher der schweigenden Mehrheit als konservativer Patriot in seinem zähen Kampf für Freiheit, Wiedervereinigung, Westbindung, Marktwirtschaft. Am Ende seines Lebens - er starb im Jahr 2002 - war aber auch die schweigende Mehrheit nach links gerückt, war die "SED-Fortsetzungspartei" PDS koalitionsfähig geworden und die DDR für viele kein Unrechtsstaat mehr.
Stefan Winckler: Gerhard Löwenthal. Ein Beitrag zur politischen Publizistik der Bundesrepublik Deutschland.
Bebra Wissenschaft Verlag, Berlin 2011. 406 S., ISBN 978-3-937233-85-7; 46,-€.
© Stefan Winckler
Eine weitere Besprechung erschien in der "Kölnischen Rundschau" Nr. 114 vom 16.5.2912 auf S. 23:
Mit Leidenschaft gegen Zeitgeist und SED
Publizist Stefan Winckler beschreibt den Werdegang des Journalisten Gerhard Löwenthal
Von Arnd Klein-Zirbes
Mit der Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten könnte der Einfluss der DDR-Staatssicherheit auf westdeutsche Meinungsbildner wieder in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Der ehemalige Stern-Journalist Peter-Ferdinand Koch veröffentlichte bereits 1994 ein Buch mit dem Titel "Die feindlichen Brüder. DDR contra BRD - Eine Bilanz nach 50 Jahren Bruderkrieg", in dem er detailliert beschreibt, wie die Staatssicherheit immer wieder erfolgreich die Nähe zu westdeutschen Journalisten suchte, um Redaktionen zu infiltrieren. Koch beschreibt, es habe nach der Wiedervereinigung in Kreisen ehemaliger Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung zur regelmäßigen Pflicht gehört, "das Impressum des ,Spiegel' zu studieren, um zu kontrollieren, welcher Mitarbeiter nicht mehr zur Redaktion gehört".
In welchem Maß es tatsächlich zu einer Kollaboration von Westmedien und Stasi kam, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass es in den Westmedien aber auch bekennende Gegner des DDR-Regimes gab, die nichts unversucht ließen, um über Menschenrechtsverletzungen im real existierenden Sozialismus zu berichten. Der bekannteste von ihnen dürfte Gerhard Löwenthal, Erfinder des ZDF-Magazins sein.
Der Publizist Stefan Winckler beschreibt in seiner Ende 2011 erschienenen Dissertation Gerhard Löwenthal. ein Beitrag zur politischen Publizistik der Bundesrepublik Deutschland, erstmals umfassend den Werdegang Löwenthals, seine Freundschaften und Feindschaften. Für die Stasi wurde Löwenthal schon bald zum Staatsfeind Nr. 1. Geschätzte 30.000 Seiten Stasi-Akten zeugen davon ebenso wie Gerüchte, die Stasi habe geplant, ihn zu ermorden. Löwenthals ZDF-Magazin lief fast 20 Jahre und wurde - je nach politischem Standort - als Gegenstück zu Karl-Eduard von Schnitzlers "Der Schwarze Kanal" heftig bekämpft oder als Bollwerk gegen einen linken Zeitgeist gepriesen. Als er 1968 das Konzept des ZDF-Magazins entwickelte, hatte er erfolgreiche Fernsehmagazine wie Panorama im Hinterkopf: Wieso sollte es nicht auch ein politisches Fernsehmagazin mit anderem - konservativem - politischen Vorzeichen geben? Neben der Ost- und Deutschlandpolitik ging es in den 585 Sendungen des ZDF-Magazins vor allem um die Themen Nachrüstung, Extremismus, Linksterrorismus, Kernkraft und Südafrika.
Löwenthal skizzierte das Sendekonzept im Jahr 1972 mit den Worten: "Die Sendungen sollen vor allem der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit dienen und der Verständigung unter den Völkern. Sie müssen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entsprechen und eine unabhängige Meinungsbildung ermöglichen".
Nicht zuletzt mit seinem klaren Bekenntnis zur Wiedervereinigung stellte er sich gegen den linken Zeitgeist, der sich in Folge der studentischen Kulturrevolution nach 1968 entwickelte: "Seine größte Wirkung erzielte er durch die Ausstrahlung der Hilferufe von drüben", so Winckler, dank der eine nicht genau zu beziffernde Zahl von politischen Häftlingen frei kam. Die Wirkung seiner Rundfunk- und Fernsehsendungen ist m.E. als vergleichsweise gering zu veranschlagen". Unbestritten ist Löwenthals Nähe zu konservativen Politikern ebenso wie seine antikommunistische Gesinnung. Zu seinem 75. Geburtstag gratulierten ihm zum Beispiel Bundespräsident Roman Herzog, Bundeskanzler Helmut Kohl, die Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und Edmund Stoiber. Der CSU-Politiker nannte ihn einmal den "mutigsten Journalisten der gegenwärtigen politischen Landschaft". Für Politiker wie Herbert Wehner war er dagegen ein "internationaler Störenfried". Die linksgedrehte Zeitschrift Konkret sah in ihm einen "Schwindler vom rechten Rand", so Winckler.
Aber weder ist antikommunistisch gleichbedeutend mit rechtsextrem, noch ist die heute gängige, leichtfertige Gleichsetzung von rechts mit rechtsextrem hilfreich. Löwenthal wurde 1922 in Berlin geboren, 1938 musste er wie alle jüdischen Deutschen die öffentliche Schule verlassen. Es sind sehr konkrete Lebenserfahrungen, die Löwenthal schon früh zum Gegner aller totalitären Tendenzen werden ließen: "Die Gestapo verhaftete Löwenthal am 12. Februar 1943, da er Juden versteckt hatte. Gleichzeitig nahm sie seine Eltern fest, die Löwenthal aber nicht in seine Untergrund-Tätigkeit eingeweiht hatte". Der publizistische Kampf für die Freiheit schloss für Löwenthal den Kampf gegen den marxistischen Sozialismus ein. Den nahm er schon gegen Ende der vierziger Jahre auf, indem er gegen die Gleichschaltung der Berliner Universität durch die SED auftrat. Die Blockade Berlins ließ ihn endgültig zum Opponenten der SED werden.
Die mutige, antitotalitäre Seite Löwenthals leuchtet Winckler ebenso aus, wie er beschreibt, dass sich der ZDF-Journalist nach der Wiedervereinigung in polit-sektiererischen Zirkeln wie der Deutschen Sozialen Union bewegte. Von Parteien wie den Republikanern grenzte er sich auch in dieser Phase ab. Dass Stasi-Offiziere den Abschied ihres Staatsfeindes Nr. 1 vom Fernsehschirm mit Sekt feierten, überrascht nicht. Dass das ZDF ihm mit Auslaufen seines Vertrags 1987 sein jahrzehntelanges Engagement "würdigte", in dem es ihm seine persönlichen Gegenstände in Kartons vor die Tür stellte, wirkt beschämend. Das bei Langzeit-Mitarbeitern übliche Wort des Dankes blieb aus. Löwenthal verstarb im Dezember 2002.
Der Journalist Gerhard Löwenthal gehört zweifellos zu den faszinierendsten Personen der Zeitgeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als durch und durch polarisierende Gestalt der deutsch-deutschen Medienlandschaft spielte er eine wichtige Rolle in der Publizistik der 1970er und 1980er Jahre; nicht zuletzt diente er vielfach als probates Feindbild, da er sich immer scharf und eindeutig gegen den Kommunismus aussprach und dies publikumswirksam im ZDF-Magazin tun konnte. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man vermutet, dass auch mancher, der mit dem Kommunismus nicht das Geringste am Hut hatte, mit Löwenthal aus Stilgründen seine liebe Mühe haben dürfte. Doch war dies wiederum eine Einstellung, der Löwenthal selbst kein nennenswertes Verständnis entgegengebracht haben würde. Denn angesichts der von ihm vertretenen Notwendigkeit, den Kommunismus zu bekämpfen, mussten derlei Fragen notgedrungen in den Hintergrund rücken. Unstrittig dürfte jedenfalls sein, dass mit Gerhard Löwenthals Biographie ein wichtiger Baustein der Publizistik- und Zeitgeschichte der Bundesrepublik sowie der DDR verbunden ist.
Der Publizist Stefan Winckler hatte vor vielen Jahren bereits eine kleine Publikation zu Löwenthal vorgelegt (es handelte sich genrebedingt eher um eine kleinschrittig angelegte Magisterarbeit). Für die vorliegende Arbeit, die an der Universität Chemnitz bei dem Historiker Frank-Lothar Kroll als Dissertation eingereicht wurde, versucht er demgegenüber ein umfassendes Bild von Löwenthal zu zeichnen, das nicht nur den Publizisten in den Blick nimmt, sondern das gesamte politische Engagement des streitbaren Konservativen zu würdigen. Das ist ihm zweifellos gelungen, so dass man die Arbeit gut informiert aus der Hand legt.
Dazu hat der Verfasser alle auffindbaren Quellenbestände zu sichten versucht, vor allem zu nennen sind die Archivalien der Konrad-Adenauer-Stiftung. damit ist es ihm gelungen, eine Forschungslücke zu füllen und im Grunde alles das zusammenzutragen, was man über Löwenthal wissen kann, um dies in den zeitgeschichtlichen Kontext einzuordnen. Für ein differenziertes Bild von Löwenthal wird man nicht nur auf den entschiedenen Antikommunisten blicken dürfen, an dem Löwenthal lebenslang festhielt, sondern auch in Rechnung stellen müssen, dass sich der junge Löwenthal als Jude, der im Untergrund in Berlin den Nationalsozialismus überlebte, grundsätzlich gegen jeden Totalitarismus wandte. Seine Unterdrückungs- und Verfolgungserfahrung unter Hitler machte ihn zweifellos besonders sensibel für die erneute Errichtung einer Diktatur in der von den Sowjets besetzten Zone Deutschlands, die er als Radioreporter hautnah miterlebte. Das erwünschte Medizinstudium konnte er aufgrund der politischen Umstände nicht absolvieren.
Diese Teile der Biographie Löwenthals dürften vielen unbekannt sein, die nur den politischen Meinungsbildner im Fernsehen kennen. Löwenthals recht wenig bekannte Autobiographie, auf m.W. nie als Taschenbuch erschienen ist, schildert unter dem Titel Ich bin geblieben (S. 119-120) seinen Werdegang aus persönlicher Sicht (1). Winckler muß sich in manchem notgedrungen auf diese Autobiographie stützen, vor allem für die frühen Jahre, ist aber stets bemüht, Löwenthals eigene Sicht durch andere Archivalien und Dokumente abzugleichen.
Gelegentlich vermerkt er, diese oder jene Aussage in den ihm vorliegenden Quellen müsse quellenkritisch betrachtet werden. So zitiert Winckler S. 64 aus einem Rundfunk-Manuskript von Löwenthal über den deutschen Widerstand gegen Hitler folgenden Satz: "Zwei Fronten standen sich in diesem Kampf gegenüber, einmal das von taumelndem Machtrausch getragene Untermenschentum und auf der anderen Seite Persönlichkeiten, die in ihrem Handeln geleitet wurden von ihrer sittlichen und moralischen Empörung gegen ein Regime mörderischen Unrechts". Nach Winckler ist es wahrscheinlich, dass Löwenthal eher Unmenschentum als Untermenschentum gemeint haben dürfte. Es wäre aber vielleicht auch interessant, anhand anderer Quellen zu überprüfen, ob Gegner der Nationalsozialisten sich nicht zu polemischen Zwecken auch genuin nationalsozialistischer Propagandabegriffe bedienten, um die kritisch gegen die Nationalsozialisten zu wenden.
Manche Äußerungen sind rein spekulativ und nicht zwingend, so etwa wenn Winckler meint, die geringe Rolle kritisieren zu müssen, die Löwenthal in Siegward Lönnendonkers FU-Geschichte bei der Gründung der FU zugeschrieben wird (2). Winckler meint, Lönnendonker habe aus Parteinahme für die 68er "dem späteren konservativen Fernsehmoderator aus politischen Gründen gezielt eine möglichst kleine Rolle an der FU-Gründung
zubilligen wollen" (S. 59). Auch den Umstand, saß Löwenthal in der in den Wertungen gewiss nicht unproblematischen FU-Geschichte von James F. Tent (3) nur am Rande erwähnt wird, sollte man nicht überbewerten: zahlreiche andere, für sich genommen interessante Persönlichkeiten der FU-Geschichte werden dort ebenfalls nicht ausführlich gewürdigt, was auch nicht Zweck des Buches war.
Winckler schreibt mit erkennbarer Sympathie für seinen Gegenstand, ohne deshalb die Schwächen Löwenthals auszublenden (z.B. seine unausgewogene Beurteilung der Herrschaft Pinochets in Chile), wozu man auch das Scheitern mancher politischer Projekte auf der konservativen Seite des bundesrepublikanischen Spektrums vor allem in den siebziger Jahren rechnen kann. Auch wird man nicht behaupten können, dass Löwenthals Eintreten für Franz Josef Strauß als Bundeskanzler-Kandidat im Jahre 1980 eine positive Wirkung entfaltete. Löwenthal musste sich zwar in der unmittelbaren Zeit vor der Wahl mit Wahlkampfhilfe zurückhalten, engagierte sich aber ansonsten als Meinungsjournalist offen politisch zumeist im Sinne von CDU und CSU, auch wenn er später als Präsident der Deutschland-Stiftung zurücktreten musste. Dazu kam es, weil die Stiftung im Jahre 1994 Helmut Kohl den Adenauer-Preis verleihen wollte, Kohl aber laut Winckler Löwenthal übelnahm, "eine Diskussion mit dem Spitzenkandidaten der konkurrierenden Partei Bund freier Bürger, Manfred Brunner, moderiert zu haben" (S. 109).
Winckler stellt alle wichtigen Politikfelder dar, in denen sich Löwenthal engagierte oder mit Meinungen hervortrat. Neben dem mit großer rhetorischer Verve verfochtenen Antikommunismus und der Westbindung der Bundesrepublik war Löwenthal so z.B. auch kritisch gegenüber der in Teilen der westdeutschen Bevölkerung aufkommenden Technikskepsis und Technikkritik; Löwenthal selbst war ein entschiedener Befürworter der friedlichen Nutzung der Kernenergie - auch darin heute in die Unzeitgemäßheit entrückt (S. 293-302).
Da die Darstellung teilweise chronologisch ist (Leben), dann auch die Reaktionen auf Löwenthal in einem eigenen Kapitel behandelt und schließlich systematisch Geistige Grundlagen und politische Positionen darstellt, also die Informationen teils verstreut sind, ist das Fehlen eines Personenregisters sehr zu bedauern.
Winckler Arbeit ist solide recherchiert, informativ und abgewogen in den Urteilen und daher sicher ein nützliches Hilfsmittel für alle an deutscher Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts Interessierte; nicht zuletzt wird man Winckler zugute halten müssen, daß es ihm gelungen ist, den im zeitgeschichtlichen Kontext höchst umstrittenen Gegenstand "Gerhard Löwenthal" mit Sachlichkeit und Nüchternheit behandelt zu haben.
(1) Ich bin geblieben. Erinnerungen/Gerhard Löwenthal. -München; Berlin: Herbig, 1987.
(2) Freie Universität Berlin: Gründung einer politischen Universität/ von Siegward Lönnendonker. -Berlin: Duncker und Humblot, 1988. Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss. 1987.
(3) Vgl. Freie Universität Berlin: 1948-1988; eine deutsche Hochschule im Zeitgeschehen/James F. Tent: Berlin: Colloqium-Verlag, 1988.
Till Kinzel
Der Rezensent ist Privatdozent an der Technischen Universität Braunschweig für amerikanische und englische Literaturwissenschaft.
Über die veröffentlichte Magisterarbeit von Stefan Winckler schrieb der Journalist Dieter Borkowski in der WELT am SONNTAG, Nr. 49/1997, S. 111:
Gerhard Löwenthal wurde in Berlin am 8. Dezember 1922 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren und ist in Wiesbaden wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag verstorben. Nach glücklichem Überleben des Konzentrationslagers nahm er 1946 ein Studium der Medizin auf, brach es aber bald zugunsten journalistischer Tätigkeit ab. Von 1969 bis 1987 leitete er das ZDF-Magazin.
Die über ihn als biographische Studie Nr. 1 zum 20. Jahrhundert veröffentlichte Biographie entstand als von Frank-Lothar Kroll betreute, im Mai 2010 abgeschlossene Dissertation an der Technischen Universität Chemnitz. Sie beruht auf umfangreichen ungedruckten Quellen und zahlreichen Gesprächen mit der Witwe. Gegliedert ist sie nach einer aufbereitenden Einleitung in drei Teile.
Ausführlich betrachtet der Verfasser, die Berliner Prägungen, die Berufsjahre im Ausland, die Tätigkeiten im ZDF-Magazin einschließlich des politischen Engagements und die Pensionierung mit freiberuflicher Tätigkeit. Als Reaktionen auf Löwenthal stellt er Publikumsakzeptanz, Geheimdienstmaßnahmen, Gewalt und Interaktion mit Kollegen einander gegenüber. Überzeugend geht es auf die geistigen Grundlagen und politischen Positionen ein und erfasst sorgfältig den Weg zum Konservativismus, der Löwenthal für die Deutsche Demokratischen Republik zum Staatsfeind und für manchen westlichen Kollegen zum polemischen Gegnern der Entspannungspolitik werden ließ.
Gerhard Köbler
Der Rezensent ist Professor für Rechtsgeschichte, bürgerliches Recht und Handelsrecht in Innsbruck.
Wer als Bundesdeutscher die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bewusst miterlebt hat, kennt den Namen Gerhard Löwenthal. Er ist ein fester Begriff. Als Leiter des ZDF-Magazins von 1969 bis 1987 war er für die einen der „kalte Krieger“, für die anderen die Verkörperung der wehrhaften Demokratie in ihrem Kampf gegen den Sowjetimperialismus. Nach der friedlichen Revolution hat man auch beim ZDF eingesehen, dass man die Wirklichkeit des Ostblocks recht unzulänglich wahrgenommen hatte. Dem unbeirrbaren Einzelkämpfer Löwenthal blieb jedoch seitens des Hauses die Anerkennung versagt. Daher war eine ausführliche Biografie überfällig, die nun Stefan Winckler in jahrelanger solider Arbeit geschaffen hat. Trotz geistiger Verwandtschaft mit Löwenthal finden sich nirgendwo Spuren hagiographischer Verehrung. Jede Behauptung wird tunlichst exakt belegt. Das Opus ist wohl gelungen und lädt zum Lesen ein. Nur das Fehlen eines Personenregisters ist zu beklagen.
Wincklers Werk fußt auf Löwenthals Autobiografie, die aber schon vor 25 Jahren erschienen ist. Ihr Titel lautet: „Ich bin geblieben“. Hat er nicht einen Wandel durchgemacht, gleichsam von Willy Brandt zu Franz Josef Strauß? In seinen Augen war es die SPD, deren Ostpolitik immer mehr den Wünschen der totalitären Weltmacht entgegenkam, sei es durch Aufwertung der DDR, sei es durch Verzichtsleistungen.
Wincklers Werk gliedert sich in fünf Teile. Auf die Löwenthal-Biografie folgt die Schilderung seines politischen Engagements im Fernsehen und außerhalb. Wie war die Reaktion auf seine journalistische Arbeit? Des weiteren wird Löwenthals Weltanschauung anschaulich ins Gedächtnis gerufen und seine Einbindung in das konservative Spektrum der Bundesrepublik konkretisiert. Auf seine Erinnerungen an das, was er als Jude unter Hitler in Berlin erlebt hat, „dass Tausende von Berlinern dem gebot der Menschlichkeit auch unter schwierigen Bedingungen folgten und halfen, wo es ging“, sind aufschlussreich.
Nach dem Kriege führten ihn glückliche Umstände in die Redaktion des amerikanischen Senders Rias Berlin und schließlich zum ZDF. Dort war er für das ZDF-Magazin zuständig, das sich mit nahezu allen politischen Themen befasste. So rügte er am 7. Januar 1970 als „katastrophal“ Willy Brandts Ausspruch, er „habe aufgehört, über die deutsche Wiedervereinigung zu sprechen“.
Derlei Sendungen machen es verständlich, dass Löwenthal in der DDR als Staatsfeind Nr. 1 bezeichnet wurde und dass er in der Bundesrepublik zu den am meisten gefährdeten Persönlichkeiten zählte. Dennoch war Löwenthal voll des Eifers für die Sache der Freiheit und begnügte sich nicht mit der engagierten Wahrnehmung seiner beruflichen Pflichten. So war er 1972 Gründungsmitglied der Gesellschaft für Menschenrechte (heute Internationale Gesellschaft für Menschenrechte), eines Vereins, der sich vor allem den politischen Gefangenen in der DDR widmete und heute insbesondere verfolgten Christen hilft.
In einer an Vorbildern armen Welt kann die Beschäftigung mit Gerhard Löwenthal ein Ansporn sein, die eigenen Kräfte den vorrangigen Verfassungswerten dienstbar zu machen.
Konrad Löw
Der Rezensent wirkte als Prof. für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Totalitarismus- und Extremismusforschung.
Schlüsselstudie zu Löwenthal
Gerhard Löwenthal gehört zweifellos zu den bedeutendsten Journalisten der Bundesrepublik. Mit seinem längst legendären ZDF-Magazin gelingt es ihm, einen beachtlichen Kontrapunkt zum überwiegend linken Kulturbetrieb zu setzen. Das macht ihn – neben Axel C. Springer – wohl zum umstrittendsten Vertreter der Publizistik im letzten halben Jahrhundert.
Überblickt man Löwenthals Leben und Wirken, fällt besonders der kämpferische Grundzug auf. Als „Halbjude“ im Nationalsozialismus verfolgt, ist er nach 1945 teilweise heftiger Kritik seitens der DDR und ihrer Helfershelfer auf der politischen Linken im Westen ausgesetzt. Doch auch die – mitunter laue – bürgerliche Mitte ist ihm nicht immer gewogen. So will Helmut Kohl einen Preis aus seiner Hand im Jahre 1994 nicht annehmen.
Angesichts seiner Bedeutung ist es verwunderlich, daß erst jetzt eine ausführlichere Monographie über den patriotischen Fernsehmoderator erscheint. Stefan Winckler gibt in seiner akribischen Untersuchung einen Einblick in dessen leben und dessen politisches Engagement (im Fernsehen wie auch außerhalb). Des weiteren zeigt der Verfasser Löwenthals geistige Grundlagen und politische Positionen sowie, am Ende der Darstellung, den Standpunkt seines Helden im konservativen Spektrum. Nach der Lektüre von Wincklers Abhandlung wird man der Persönlichkeit Löwenthals noch mehr Achtung zollen müssen. Nicht nur die Agitation aus dem Osten gegen das Haßobjekt (rund 30.000 Aktenseiten zeugen von den Spitzeldiensten der Stasi!) ist weitaus intensiver als bisher vermutet, auch in der Bundesrepublik ist der streitbare konservative Demokrat Opfer von Drohungen und gewalttätigen Übergriffen, die in der Schrift dokumentiert werden.
Winckler, schon durch diverse Untersuchungen ausgezeichnet, hat nunmehr eine Schlüsselstudie vorgelegt, an der niemand mehr vorbei kommt, der sich mit dem vielfältigen Thema „Konservatismus in der Bundesrepublik beschäftigt“. Felix Dirsch
Gerhard Löwenthal
Am Anfang seines politischen Lebens stand die doppelte Erfahrung des Totalitarismus. In der NS-Zeit wurde er als Jude nicht nur einmal verhaftet, und es war mehr als große Glück, daß er im Gegensatz zu seiner Familie das Kriegsende überlebte. Doch nur drei Jahre später kam die Berliner Blockade, und für ihn begann der Einsatz für ein freies Berlin sowie für die Menschen in der Sowjetzone, wo eine deutsche Diktatur entstand. Freiheit wurde für ihn erneut der wichtigste Wert. 1946 kam er zum RIAS; ein Jahr später leitete er dessen Hochschulfunk mit seinen Sendungen über die Geisteswelt im Westen, der den Widerstand der freiheitlichen Studenten „drüben“ unterstützte (seitdem stand der Rezensent mit ihm in engerer Verbindung).
1968 übertrug man ihm die Leitung des ZDF-Magazins, das primär dem Gedanken an die Wiedervereinigung dienen sollte. Innerhalb von 19 Jahren strahlte er 585 Sendungen aus. Nebenher hielt Löwenthal in seinem Leben über 1000 reden und Vorträge mit jeweils 500 bis 5000 Zuhörern, ebenso stammten überaus viele Zeitungsartikel aus seiner Feder.
In der DDR war das ZDF-Magazin“ die meistgesehene Fernsehsendung „aus dem Westen“, und mit seiner Glaubwürdigkeit nahm es erheblichen Einfluß auf die Meinungsbildung der Bevölkerung jenseits der Mauer. Daß Löwenthal beim dortigen MfS zum Staatsfeind Nummer 1 aufrückte, kann nicht überraschen. Seine Akte bei der Staatssicherheit umfaßt demnach auch rund 30000 Seiten. MfS-Chef Mielke schrie zornig: „Der Kerl muß weg!“ Doch alle Versuche, ihn mit einer NS-Vergangenheit zu verleumden, blieben erfolglos. Größtes Ärgernis in der Normannenstraße war die Ausstrahlung der ZDF-Reihe „Hilferufe von drüben“ aufgrund deren ständiger Appelle Ost-Berlin viele politische Häftlinge freiließ. Über die von Löwenthal 1978 gegründete gleichnamige Privat-Organisation verfaßte das MfS 3553 Aktenseiten und setzte 83 DDR-Spione auf sei an.
Löwenthal gehörte nie einer Partei an, er sah sich auch nicht als „Rechter“, sondern zur „radikalen Mitte“ gehörend. War er lange Jahre ein SPD-Wähler und Befürworter Willy Brandts, so änderte sich dies schlagartig durch dessen Formulierung in seiner ersten Regierungserklärung von „zwei deutschen Staaten“ – womit er der DDR eine Gleichberechtigung neben der Bundesrepublik zuerkannte und nicht mehr das Wort „Wiedervereinigung“ benutzte. Löwenthals ständige Mahnung, die deutsche Einheit sei als Staatsziel in der westdeutschen Verfassung verankert, bleib erfolglos. Heutzutage hört man es im Westen Deutschlands nur sehr ungern, aber es sind leider Tatsachen: Mit seinem Beharren auf der Wiedervereinigung wurde er im Laufe der Jahre ein „einsamer Rufer“. Es spricht nicht für eine politische Reife der vieler Bundesbürger jener Jahre, wenn trotz Diktatur im anderen Teil Deutschlands der Antikommunist Löwenthal zusehends als „ewiggestrig“ und „entspannungsfeindlich“ bewertet wurde. Löwenthal sprach stets nur die Wahrheit über die Zustände in der DDR – wenn auch in sehr offener Form – und erinnerte immer wieder an die politischen Häftlinge. Dennoch glaubte ausgerechnet „Die Zeit“, ihm „partielle Blindheit“ vorwerfen zu können. Man muß es eingestehen: Viele Menschen in der Bundesrepublik hatten am Schicksal der politischen Gefangenen kaum Interesse, derartiges störte nur ihren persönlichen Frieden und ihr privates Wohlergehen. Geradezu beschämend war das Verhalten vieler Studenten damals, sowohl in ihrem Demokratie- und Toleranzverständnis als auch in ihrem Wissen vom „Sozialismus“ östlicher Prägung. Bei seinen Vorträgen vor westdeutschen Universitäten versuchten ihre Sprechchöre mit Trillerpfeifen und Stinkbomben, mit dem Werfen von Stühlen auf ihn seine Äußerungen zu unterbinden. Er wurde, wie es in dem Buch formuliert ist, ein „regelrechtes Haßobjekt“. Verständlich, daß er Vergleiche zwischen diesen Fanatikern linker Ausrichtung zog und der einstigen Hitler-Jugend, die ihn mit ihrem Haß auf alles Jüdische verprügelte.
Sogar die Justiz beugte sich dem Zeitgeist. Als ein Student ihm eine Ohrfeige verpaßte, hatte die Richterin Verständnis, denn der Täter hätte „nicht viel andere Möglichkeiten, sein Mißfallen an den Sendungen auszudrücken“. In einem anderen Gerichtssaal war zu hören, „es müsse erlaubt sein, öffentliche Auftritte von Löwenthal zu verhindern!“ Aber auch mancher ZDF-Redakteur meinte im Zuge seines Verständnisses von Meinungsfreiheit, „seine Sendungen seien nicht zu ertragen“. Viele wollten nicht in einem Gespräch mit ihm gesehen werden. Selbst die Unterstützung der ZDF-Intendanz ließ nach: Seine Sendezeiten wurden rarer, am Ende verabschiedete man ihn entgegen der üblichen Art „ganz ohne Dank und Würdigung“. In Ost-Berlin hingegen feierten, wie man heute weiß, Stasi-Offiziere dies mit Sekt.
Gerhard Löwenthal war in jener Zeit der Teilung Deutschlands, so resümiert das Buch, „der mutigste Journalist in der Bundesrepublik Deutschland“. Dem kann man nur zustimmen.
Friedrich Wilhelm Schlomann in der Zeitschrift „Der Stacheldraht“ Nr. 2/2012 (Mai).
Gerhard Löwenthal
Am Anfang seines Lebens stand die doppelte Erfahrung des Totalitarismus. In der Nazizeit war es mehr als großes Glück, dass er als Jude im Gegensatz zu seiner Familie das Kriegsende überlebte. Doch nur drei Jahre später begann die Berliner Blockade und für ihn der Einsatz für ein freies Berlin sowie für die Menschen in der Sowjetzone, wo eine zweite deutsche Diktatur entstand. Erneut wurde Freiheit für ihn der wichtigste Wert. Bald übertrug man ihm die Leitung eines Magazins im ZDF, das primär dem Gedanken an die Wiedervereinigung dienen sollte. In der DDR war es „die meistgesehene Fernsehsendung aus dem Westen“, die erheblichen Einfluss auf die Meinungsbildung der dortigen Bevölkerung nahm. Grösstes Ärgernis für die SED-Diktatur war die Ausstrahlung „Hilferufe von drüben“, die ständig auf die politischen Gefangenen in der DDR hinwies.
Gegen die Aufpasser Brandt und Bahr
Löwenthal gehörte nie einer Partei an, er sah sich auch nicht als „Rechter“, sondern zur „radikalen Mitte“ gehörend. Er wurde ein Gegner Willy Brandts mit dessen Regierungserklärung von „zwei deutschen Staaten“ – womit er der DDR eine Gleichberechtigung neben der Bundesrepublik anerkannte. Man hört es heute in West-Deutschland nur sehr ungern, aber es sind leider Tatsachen: Mit seinem Beharren auf der Wiedervereinigung wurde er im Laufe der Jahre ein „einsamer Rufer“, obwohl er stets nur die Wahrheit über die Zustände in der DDR aussprach – doch allgemein hatte man im Westen daran kaum noch Interesse. Beschämend war damals das Verhalten vieler Studenten – immerhin die geistige Elite von morgen! – sowohl in ihrem freiheits- und Toleranzverständnis als ihrem Wissen vom Sozialismus östlicher Prägung. Verständlich, dass er Vergleiche zog zwischen ihrer Ausrichtung und der der einstigen Hitler-Jugend, die ihn mit ihrem Hass gegen alles Jüdische verprügelte.
Von den Aufpassern verjagt
Entsprechend dem damaligen Zeitgeist nach „Entspannung“ wurden seine Sendezeiten mehr und mehr gekürzt trotz vieler Proteste aus der westdeutschen Bevölkerung – und wie das Buch extra vermerkt – aus der Schweiz. Am Ende wurde er entgegen der üblichen Art vom Sender „ganz ohne dank und Würdigung“ verabschiedet. In Ost-Berlin hingegen feierten die Stasi-Offiziere dies mit Sekt. Gerhard Löwenthal war in jener Zeit der deutschen Teilung, so resümiert das Buch, „der mutigste Journalist in der Bundesrepublik Deutschland“. Dem kann man mit Recht nur zustimmen!
Friedrich Wilhelm Schlomann, in: "Abendland" (Baden/Schweiz), Juni 2012
Sturmgeschütz gegen alle Despoten
Stefan Wincklers Biographie des konservativen ZDF-Journalisten Gerhard Löwenthal
Wie kein zweiter Nachkriegsjournalist versetzte Gerhard Löwenthal, der 19 Jahre lang – von 1969 bis 1987 – in 585 Sendungen das „ZDF-Magazin“ leitete und moderierte, das geteilte Deutschland auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs in Wallung. Er beschäftigte sich vor allem mit Menschenrechtsverletzungen in der DDR, den brutalen Repressionsmaßnahmen gegen Ausreiseantragsteller, der Verfolgung politischer Gegner und Dissidenten, den unmenschlichen Haftbedingungen für politische Häftlinge.
Der offiziellen DDR, wo er selbstverständlich Einreiseverbot hatte, galt er als „Staatsfeind Nr. 1“. Bei den Genossen war er der meistgehaßte West-Journalist, gerade weil er auch bei der eigenen „Bevölkerung“ ausgesprochen populär war und hohe Einschaltquoten erzielte. Das berühmte Stakkato aus der Intrada des Konzertes für Orchester von Witold Lutoslawski dürfte jedesmal Angstschweiß in Ost-Berlin ausgelöst haben. Insbesondere mit seiner 1975 begonnenen Rubrik „Hilferufe von drüben“, die Briefe und Appelle von politisch Verfolgten und Ausreisewilligen verbreitete, fesselte er bis zu 50 Prozent der DDR-Bürger an die Bildschirme. Kein Wunder, das Löwenthal für Mielkes Stasi bald zum „Feindobjekt“ wurde, für dessen Bearbeitung 83 Inoffizielle Mitarbeiter unter Führung einer eigenen hauptamtlichen Arbeitsgruppe zuständig waren.
Löwenthal sah sich als „kämpfender Journalist“ gegen den Kommunismus, gegen das SED-Unrechtsregime im besonderen. Diese Haltung bestimmte auch die Berichterstattung seines Magazins über innenpolitische Themen der Bundesrepublik. Immer wieder bezog er Stellung gegen eine Politik, die die DDR als kommunistischen Staat anerkannte und völkerrechtlich „hoffähig“ machte. Die Ostpolitik Willy Brandts lehnte er deswegen strikt ab, eine Annäherung an die DDR kam für ihn einem Verrat gleich. Vor allem deswegen, aber auch wegen der Bildungs- und Gesellschaftspolitik nahm er Linke und Linksliberale der regierenden SPD/FDP-Koalition ins Visier, was ihm deren teils unsachliche polemische Kritik und andererseits lauten Beifall der damals noch konservativen CSU und der Blätter des Hauses Springer einbrachte.
Der Sohn eines jüdischen Kaufmannes aus Berlin, dessen Familie großenteils von den Nationalsozialisten ermordet worden war und der das Dritte Reich nur mit viel Glück überlebt hatte, scherte sich kaum um die Meinungen anderer, obwohl ihm ein wenig Anerkennung alter Widersacher nach der Wiedervereinigung wohl gut gefallen hätte: „Es ist doch nun mal so, daß ich recht behalten habe.“
Als einer der wenigen überlebenden Berliner Juden, die nach 1945 in Deutschland blieben, begann Löwenthal zunächst ein Medizinstudium an der wiedereröffneten Humboldt-Universität im sowjetischen Sektor und arbeitete nebenher als freier Reporter für den Rias, den Rundfunksender im amerikanischen Sektor. Die Machtübernahme kommunistischer Funktionäre im Ostteil der Stadt empfand er als zweite Gleichschaltung. Seine studentische Freiheit ebenso wie seine Reportertätigkeit wurde zunehmend eingeschränkt, so daß er das Studium im Ostsektor abbrach. In West-Berlin wurde er einer der studentischen Mitbegründer der Freien Universität. Als ihm 1947, trotz seiner geringen Berufserfahrung, der Rias eine eigene Sendereihe anbot, den „RIAS-Hochschulfunk“, gab er sein Studium ganz auf und wurde endgültig Journalist. In seiner Sendung machte er sich zum journalistischen Anwalt der Studenten, denen ihr Widerstand in der Ostzone und Ost-Berlin Verfolgungen einbrachte. Immer wieder ließ er politisch verfolgte Studenten selbst zu Wort kommen.
Nach Zwischenstationen in Paris und Brüssel (als erster ZDF-Korrespondent) sah er sich ab 1969 im „ZDF-Magazin“ – nach der Erfahrung von Nationalsozialismus und Kommunismus – als „Missionar2 für Freiheit und Menschenrechte, als „Anwalt des Rechtsstaates“ Bundesrepublik Deutschland und als Vertreter der deutschen Einheit gegenüber den „Spaltern“.
Fast alle Stationen und Erfahrungen dieses ungewöhnlichen Lebens sind schon längst öffentlich gemacht, nicht zuletzt durch Gerhard Löwenthals eigene Erinnerungen, die unter dem Titel „Ich bin geblieben“ bereits 1987 im Münchner Herbig-Verlag in mehreren Auflagen und 2005 in einer Neuausgabe im Verlag der „Jungen Freiheit“ erschienen sind.
Zum ersten Mal werden nun in einer umfänglichen Studie des Politikwissenschaftlers Stefan Winckler Werdegang und politische Hintergründe des streitbaren Moderators des „ZDF-Magazins“ wissenschaftlich umfassend beleuchtet, bis in kapillare Verästelungen hinein mit Dokumentenauszügen und Quellenhinweisen belegt und – heutzutage in diesem Land besonderer Erwähnung wert – ohne „zeitgeistige“ Scheuklappen in die publizistische und politische Entwicklung Nachkriegsdeutschlands eingeordnet.
Stefan Winckler, 1967 in Franken geboren, studierte Publizistik, Politikwissenschaft sowie Mittlere und Neuere Geschichte in Münster und Mainz, machte danach bald mit ersten Veröffentlichungen im Bereich der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit, etwa über „Bewahrung und Gefährdung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats“ und über politische Kommunikation auf sich aufmerksam. Besondere Aufmerksamkeit fand Winckler 2005 mit einer Untersuchung über Entstehung, Position und Wandlungen einer „neuen konservativen Intelligenz“ mit dem Titel „Die demokratische Rechte“.
Mit Gerhard Löwenthal hat sich Winckler bereits in seiner Magisterarbeit „Ein kritischer Journalist aus Berlin: Gerhard Löwenthal“ befaßt, die er 1994 vorlegte. Nach Erschließung umfassender Archivbestände – unter anderem des „Archivs für christlich-demokratische Politik“ der Konrad-Adenauer-Stiftung, des Unternehmensarchivs des ZDF und des Deutschen Rundfunkarchivs erarbeitete er im Umfeld des Lehrstuhls „Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“ der Technischen Universität Chemnitz seine Dissertation über Löwenthal, mit der er 2010 bei Frank-Lothar Kroll promovierte.
Als Eröffnungsband einer von Kroll inspirierten neuen Reihe „Biographische Studien zum 20. Jahrhundert“ ist die überarbeitete Studie jetzt erschienen – und eine wissenschaftliche Leerstelle über eine Symbolfigur des Kampfes gegen gleich zwei Erscheinungsformen des Totalitarismus in Deutschland ist damit geschlossen. Günther Deschner
SPEZIALTIPP
Winckler: Gerhard Löwenthal - Ein Beitrag zur politischen Publizistik der Bundesrepublik Deutschland. Bebra Verlag, 46,00 €
Gerhard Löwenthal war neben Axel Springer in der "DDR" die meistgehasste Stimme der Publizistik aus dem Westen. Eine patriotische, mutige, konservative Kraft, die es nicht wider gab. Seine Sendung "ZDF-Magazin" dürfte sich die Mainzer Anstalt heute kaum noch zutrauen, weil der Mainstream dann doch richtungsgebender zu sein scheint. Löwenthal war gegenüber solcher Selbstbeschneidung resistent. Wincklers Buch ist eines der Bücher, die jedes JU-Mitglied gelesen haben sollte.
"Entscheidung" (Magazin der Jungen Union), Nr. 3-4/2009
Zukunftsmodell Soziale Marktwirtschaft
Die „Soziale Marktwirtschaft“ gilt – unabhängig vom Inhalt dieses Begriffs – heute als allgemein akzeptierte Wirtschaftsform und Garantie des deutschen Wohlstands. In Vergessenheit geraten ist zum Teil die freiheitliche Begründung gerade dieses Modells, das von Ludwig Erhard nach dem Zweiten Weltkrieg gegen erheblichen, zum Teil sozial motivierten Widerstand durchgesetzt wurde.
Erhard vertrat die Ansicht, dass Freiheit in einem Staatswesen nur unter strenger Beachtung des Subsidiaritätsprinzips verwirklicht werden könne. Der einzelne Bürger müsse die Stärke haben, sich aus eigener Kraft bewähren zu können. Aufgabe des Staates sei, ihn in diese Lage zu versetzen. Nicht der allfürsorgende Wohlfahrtsstaat entspricht diesem ideal. Sondern ein Gemeinwesen, welches sich so wenig als möglich um die Angelegenheit seiner Bürger kümmert. Hinsichtlich der Wirtschafts- und Finanzpolitik schloss Erhard hieraus, dass der Staat den Bürgern so viel von ihrem Verdienst lassen müsse, dass sie ihre Existenz, ihr Schicksal und das ihrer Familien selbst zu gestalten in der Lage sind. Dies beinhaltet letzten Endes, dass dem Bürger alle Chancen gelassen werden müssen, er aber weitgehend die Risiken zu tragen hat. Erhard sah in der Verwirklichung der sozialen Marktwirtschaft die beste Sicherheit für ein Gelingen des demokratischen Projektes im Nachkriegsdeutschland. Der Erfolg gab ihm recht.
Die Situation heute unterscheidet sich erheblich von der der Nachkriegszeit. Kein Krieg hat Tod und Zerstörung gebracht. Die Zeiten, in denen ein Unrechtsregime das Schicksal der Menschen bestimmte, sind lange vorbei. Dennoch steht unsere Gesellschaft vor enormen Herausforderungen. Geradezu symbolisch steht dafür die hohe Arbeitslosigkeit. Wir müssen unsere Probleme bewältigen, soll unser Land eine Zukunft als freiheitliche Demokratie haben.
Mit diesem Themenkreis setzt sich ein von Arnd Klein-Zirbes und Stefan Winckler herausgegebener Sammelband auseinander. Auf dessen inhaltliche Zielrichtung weist sein Titel hin. „Zukunftsmodell Soziale Marktwirtschaft“. Roland Koch weist in seinem Vorwort darauf hin, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen diejenigen am meisten belohnen müssen, die am meisten und am wirtschaftlichsten arbeiten. Nur auf diese Weise könne die Arbeitslosigkeit verringert werden. 15 Autoren setzen sich mit Fundament, Gefährdungen und Chancen der sozialen Marktwirtschaft auseinander. Den Beiträgen merkt man an, ob ihre Verfasser aus Wissenschaft (Theorie) oder Wirtschaft (Praxis) stammen. Ein breites Spektrum an Themen wird kompetent und mit unterschiedlichen Sichtweisen behandelt, was dem Sammelband wohl bekommt. Politisch und wirtschaftlich interessierte Leser werden gut verständlich mit dem doch recht komplexen Thema bekannt gemacht. Die Lesbarkeit leidet nirgendwo an verschlungenen Sätzen oder mit Fremdworten und Fußnoten vernagelten „Wissenschaftsdeutsch“. Die Vermittlung von Wissen geht einher mit Lösungsvorschlägen für erkannte Probleme.
Dem Buch ist eine große Verbreitung insbesondere im politischen und akademischen Nachwuchs zu wünschen.
F. Roland A. Richter
Arnd Klein-Zirbes/Stefan Winckler (Hrsg.): Zukunftsmodell Soziale Marktwirtschaft. Unna 2002.