Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

Ein kaiserlicher Versuch, die Konfessionsspaltung zu überwinden

Zugegeben, den Bekanntheitsgrad seines Bruders und Vorgängers Karl V. hat Kaiser Ferdinand I. (1503-1564) trotz bedeutender Leistungen nicht erreicht. Dies mag daran liegen, dass es nicht nur auf den geschichtlichen Akteur und seine Taten ankommt, sondern auch, wer die Geschichte schreibt.
Ferdinand vertrat den abwesenden Kaiser Karl auf der Ebene des Reiches, einte die habsburgischen Erblande Österreich, Böhmen-Mähren und (West-)Ungarn durch eine (bis 1848 gültige) Verwaltungsreform und handelte 1555 den Augsburger Religionsfrieden aus, der den protestantischen Ständen im Reich die volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung gegenüber den Katholiken einbrachte. Wieviel seelische Kraft mag ihn, der in Spanien erzogen war, dieser Kompromiss gekostet haben? Denn Ferdinand sah deutlicher als der allmählich verbrauchte, kranke Karl V., dass eine Gegenreformation nicht gewaltsam, sondern eher mit den Mitteln der Erziehung und Bildung durchzuführen war. Ausgehend von seinem Wahlspruch „Gerechtigkeit muss sein, oder die Welt geht zugrunde“ forderte Ferdinand, persönlich ein frommer Katholik, die päpstliche Kirche möge sich verändern, damit die Konfessionen wieder zusammenfinden. Im Einzelnen unterbreitete er dem Konzil von Trient folgenden Katalog („Reformationslibell“ von 1563): Kurienreform, Verbot der Pfründenanhäufung, Volkssprache beim Gottesdienst, Unentgeltlichkeit der Sakramente, Kommunion unter beiden Gestalten, Aufteilung der großen Bistümer, Priesterehe. Das Konzil dämmte manche Missstände ein („Tridentinische Erneuerung“), lehnte allerdings Ferdinands weiter reichende Forderungen ab. Der Kaiser starb bald darauf. Seine Nachkommen bildeten die österreichische Linie des Hauses Habsburg, während Karl die spanische Linie begründete. Im Mittelschiff des Prager Veitsdoms ist Ferdinand als böhmischer König neben seinem Nachfolger Maximilian und unweit von seinem Enkel Rudolf II. bestattet.


Literatur


Theodor Bruno Kassowitz: Die Reformvorschläge Kaiser Ferdinand I. auf dem Konzil von Trient. Würzburg 1906.
Richard Reifenscheid: Kaiser Ferdinand I. In: Gerhard Hartmann/Karl Schnith (Hrsg.): Die Kaiser. 1200 Jahre europäische Geschichte. Wiesbaden 2006, S. 510-520.


© Stefan Winckler

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