Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

 

 Vor 150 Jahren: Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gestorben

Friedrich Wilhelm IV. war der Sohn von Friedrich Wilhelm III. und der Königin Luise. Er wurde am 15. Oktober 1795 geboren, zwei Jahre vor seinem Bruder Wilhelm I. Verheiratet war er mit Elisabeth, einer katholischen Prinzessin aus dem Hause Wittelsbach, die nach der Hochzeit zum Protestantismus übertrat. Die Ehe blieb kinderlos.
In jungen Jahren war er eher ein Künstler als ein Kronprinz: Schon als Kind entpuppte er sich als ein begabter Zeichner (Humor und Ironie werden deutlich anhand einiger Selbstkarikaturen), später war er ein bedeutender Bauherr, von dem mehr als tausend Entwürfe, gerade auch für Sakralbauten, stammten. Ihm ist es zu verdanken, dass der Kölner Dom nach 1842 fertig gebaut wurde, und dass die „Kölner Wirren“, also die Auseinandersetzung zwischen katholischer Kirche und preußischem Staat, gleichzeitig ein Ende fanden.
Vor allem aber war der Hochbegabte, mit den führenden Geistesgrößen Preußens wie Karl Friedrich Schinkel und Alexander von Humboldt verkehrende Friedrich Wilhelm IV. ein sehr gläubiger Christ. 1840 bestieg er den Thron, und sprach anlässlich seiner Huldigungsfeier: „Wenn von Ihnen nun der Sinn nicht nach einer sogenannten glorreichen Regierung steht, die mit Geschützesdonner und Posaunenton die Nachwelt ruhmvoll erfüllt, sondern wer sich begnügen lassen will mit einer einfachen, väterlichen, echt deutschen und christlichen Regierung, der fasse Vertrauen zu Mir. (…) Ich will (…) Friede halten zu Meiner Zeit (…)“.
Friedrich Wilhelm IV., der im Vergleich zu anderen Monarchen ungewöhnlich häufig Ansprachen hielt, blieb konsequent: Zum Unwillen Frankreichs und Englands auf der einen, Russlands auf der anderen Seite beteiligte sich Preußen nicht am Krimkrieg 1853-1856. Dadurch war dieser Waffengang auf das Schwarze Meer beschränkt, Mitteleuropa blieb verschont. Ein anderer Grund war allerdings auch die Schwäche des preußischen Heeres, das erst unter Bismarck zu einer (wieder) schlagkräftigen Armee wurde – Stichwort: Heeresreform 1860ff.
Zugleich fühlte Friedrich Wilhelm, auch darin ein Romantiker, zutiefst „teutsch“ (wie auch Ludwig I. von Bayern, sein Schwager).  Doch wollte er, der Romantik entsprechend, die Deutsche Einheit nicht durch die Abgeordneten der Paulskirche (oder gar nur durch einen Teil von ihnen) verwirklicht sehen, sondern durch sich und seinesgleichen, die Fürsten des Deutschen Bundes. Für diese Einstellung verzichtete er auf die deutsche Kaiserkrone, die seiner Überzeugung nach dem österreichischen Monarchen gebühren sollte. Der Versuch einer deutschen Einigung „von oben“ scheiterte jedoch 1850 (Punktation von Olmütz).
In Preußen wehrte sich Friedrich Wilhelm gegen eine moderne, liberale  Verfassungsgebung, wie sie beispielsweise in Baden und Bayern existierte. Er fühlte sich als König von Gottes Gnaden, der nur dem Schöpfer Rechenschaft schuldig sei („Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen“) und in diesem Sinne sein Volk unter Mitwirkung der Stände liebevoll-väterlich regiere. Wäre da, so Friedrich Wilhelm, eine seine Rechte einschränkende Verfassung nicht ein Akt des Misstrauens, ja eine Gotteslästerung, weil sie die „organische“, gottgewollte Ordnung umzugestalten versucht? Doch machte er unmissverständlich deutlich, was sein Selbstverständnis als Herrscher war:
„Es drängt mich zu der feierlichen Erklärung, daß es keiner Macht der Erde je gelingen soll, mich zu bewegen, das natürliche, gerade bei uns durch seine innere Wahrheit so mächtig machende Verhältnis zwischen Fürst und Volk in ein konventionelles und konstitutionelles zu wandeln, und daß ich es nie und nimmermehr zugeben werde, daß sich zwischen unseren Herrgott im Himmel und dieses Land ein beschriebenes Blatt gleichsam als eine zweite Vorsehung eindränge, um uns mit seinen Paragraphen zu regieren und durch sie die alte, heilige Treue zu ersetzen. Zwischen uns sei Wahrheit. Von einer Schwäche weiß ich mich gänzlich frei. Ich strebe nicht nach eitler Volksgunst (Und wer könnte das, der sich durch die Geschichte hat belehren lassen?). Ich strebe allein danach, meine Pflicht nach bestem Wissen und nach meinem Gewissen zu erfüllen und den Dank meines Volke zu verdienen, sollte er mir auch nimmer zuteil werden…“.
Nur nach schwerstem Inneren Ringen legte er dennoch seinen Eid auf die oktroyierte Verfassung 1848 und die revidierte Verfassung 1850 ab. Damit war Preußen eine konstitutionelle Monarchie.
Auch Friedrich Wilhelm IV., über den es noch viel zu sagen gäbe, war kein idealer Herrscher. Seine symbolische Politik nach 1840 machte den Liberalen Hoffnungen, die der König bald wieder enttäuschte: Zwar begnadigte er unter anderem den „Turnvater“ Jahn und setzte noch in seinem Krönungsjahr Ernst Moritz Arndt wieder auf seinen Lehrstuhl in Bonn, aber dies tat er aus dem christlichen Motiv der Versöhnung. Im Revolutionsjahr 1848 blieb Friedrich Wilhelm IV. monatelang in der Defensive (man könnte auch sagen: er war verunsichert) – ein Zustand, der Otto von Bismarck rasend vor Ungeduld und Wut machte. Auf die soziale Frage, die ihm Bettina von Arnim nahezubringen versuchte, fand er keine Antwort.
Friedrich Wilhelm IV. starb nach mehreren Schlaganfällen am 2. Januar 1861. Er ist in der Friedenskirche von Potsdam begraben.  Mit ihm trat die Generation Preußens, die die Befreiungskriege, das Erweckungschristentum und die Romantik bewusst, ja prägend erlebt hatte, ab: Es war das Todesjahr Friedrich Carl von Savignys, Friedrich Julius Stahls und Leopold von Gerlachs. Die nächsten 30 Jahre standen im Zeichen von Bismarcks Realpolitik.
Literaturhinweise
Friedrich Wilhelm IV. ist gut erforscht. Eine Quellensammlung erschien bereits 1855 („Reden und Trinksprüche Friedrich Wilhelms IV.“). Aufschlüsse geben  gerade auch die Schriften seines Freundes und Beraters Radowitz und seines Ministerpräsidenten Otto von Manteuffel. Kein Historiker der preußischen Geschichte des 19. Jahrhunderts wie z.B. Leopold von Ranke konnte das Thema vernachlässigen. Doch wurde Friedrich Wilhelm IV. im Deutschen Kaiserreich eher ungünstig beurteilt, weil er kein Tatmensch war, ihm die deutsche Einheit nicht gelang, und er völlig in Bismarcks Schatten geraten war. In den letzten Jahren erschienen folgende Bücher: David E. Barklay: Anarchie und guter Wille. Berlin 1995; Dirk Blasius: Friedrich Wilhelm IV: Psychopathologie und Geschichte, Göttingen 1992; Walter Bußmann: Zwischen Preußen und Deutschland: Friedrich Wilhelm IV., Berlin 1990; Frank-Lothar Kroll: Friedrich Wilhelm IV. und das Staatsdenken der deutschen Romantik. Berlin 1990; Peter Krüger: Der verkannte Monarch: Friedrich Wilhelm IV. in seiner Zeit, Potsdam 1997. Darüber hinaus existiert ein Katalog zu der Ausstellung Friedrich Wilhelm IV., Künstler und König, die 1995 in der neuen Orangerie im Park von Sanssouci stattfand.

 

 


© Stefan Winckler

 

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