Stefan Winckler
Historiker und Buchautor


Die Geschichte der Mainzer Tempelritter

 

Gab es in der Stadt Mainz (und nicht nur im Erzbistum) eine Templerniederlassung? Das scheint schon deswegen wahrscheinlich, weil „Aurea Moguntia“, das Goldene Mainz, ein bedeutender Handelsplatz und Kreuzungspunkt wichtiger Straßen am Rhein in der Nähe zum Messeplatz Frankfurt war. Templer hatten sich bekanntlich oft an den maßgeblichen Handelswegen und Kreuzzugsrouten angesiedelt.
Herausragend war die Bedeutung von Mainz in geistlicher und weltlicher Hinsicht. Dem Erzbistum (seit 748) Mainz waren außer den nahegelegenen Bischofssitzen Worms, Speyer und Straßburg auch die Bistümer Konstanz und Chur, Würzburg, Halberstadt und Hildesheim unterstellt, während des Hochmittelalters auch Prag und Olmütz. Der Erzbischof war seit dem Jahr 965 zugleich Erzkanzler des Reiches.
Andererseits waren die Templer mit ihren (möglicherweise) 50 Kommenden viel schwächer im Reich vertreten als die Johanniter mit 130 Ordenshäusern oder der Deutsche Orden (150 Niederlassungen). Nur drei Templerhäuser sind in Mainz nachgewiesen (vgl. Mainz - Templer - regionalgeschichte.net (klosterlexikon-rlp.de) ) Eben dort sind die Templer durch ein Schreiben von Papst Honorius II. an den Mainzer Erzbischof Sigfrid II. (1200-1230) vom 21. November 1216 wohl erstmals erwähnt. Inhalt: Sigfrid und  seine Suffraganen (d.h. die ihm unterstellten Bischöfe) „sowie die Meister der Templer und Johanniter in der Mainzer Kirchenprovinz“, ferner werden der Dekan und Erzdiakon von Mainz ermahnt, „den zwanzigsten von allem gewissen und ungewissen Einkünften während dreier Jahre“ zu erheben, der für das Heilige Land in der schwierigen Situation nach dem Fall Jerusalems vorgesehen ist (BW, RggEbMz 32 Nr. 268, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/15472 ).
Aus einer Urkunde über einen Gütertausch von 1218 geht hervor, dass seinerzeit eine Templerniederlassung in der Stadt Mainz bestand (vgl. Rödel a.a.O., S. 824)
Die dort ansässigen Templer werden in einer weiteren Urkunde vom 1. Februar 1226 aufgeführt: Erzbischof Sigfrid schlichtete einen Streit zwischen Templern und dem Kloster Johannisberg (Rheingau) um die Aufnahme von Leprakranken in ein Aussätzigenhaus sowie um die Erbfolge (BW, RggEbMz 32 Nr. 505, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/15710)
Als päpstliche Geldboten in Richtung Outremer werden Templer am 4. Januar 1219 angekündigt: „Papst Honorius III. schreibt ihm [Erzbischof Sigfrid] über die Bedürfnisse der Kreuzfahrer und beauftragt ihn, den vom Generalconcil verordneten Zehnten von den Klerikern seiner Diözese zu erheben und mit dem sonst für das heilige Land gesammelten Geld genannten Templerbrüdern zu übergeben, welche er zu diesem Zwecke nach Deutschland schicke“ (BW, RggEbMz 32 Nr. 313, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/15517).
Erst im Juni 1258 ist erneut von den Templern in den erzbischöflichen Dokumenten die Rede. Der Tempelherrnmeister gehört zu den Unterhändlern, die die Anerkennung Richards von Cornwall als Römischer König durch die Stadt Worms erwirken (vgl. BW, RggEbMz 35 Nr. 224, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/17058 )
Dies mag einiges über Einfluss und Ansehen der Templer aussagen.

Templerverfolgung

Papst Clemens V. beauftragte am 12. August 1308 die Erzbischöfe von Köln, Trier und Magdeburg, an die Bischöfe von Basel und Konstanz sowie an verschiedene geistliche Würdenträger in Westeuropa (von Utrecht bis Mallorca), sich persönlich nach Mainz zu begeben, „dort in den ihnen vom Papst genannten Punkten kraft päpstlicher Vollmacht die Wahrheit über (contra) den Templerorden zu erforschen und das Ergebnis dem Papste schriftlich zu berichten“ (Vogt, RggEbMz Nr. 1195, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/19108 ) .
Laut einer weiteren Urkunde vom gleichen Tag befahl Clemens V. dem Erzbischof von Mainz, Peter von Aspelt, und seinen Suffraganen Genaueres: Sie sollen mit den zuvor genannten Geistlichen „gegen die in ihren Diözesen lebenden einzelnen Personen des Templerordens betreffend der Papst angegebenen Punkte die Wahrheit zu erforschen und nach der Untersuchung die Personen durch ein Provinzialkonzil entweder zu verurteilen oder freizusprechen. Doch sollten sie sich jeder Untersuchung gegen den Orden selbst und den Großmeister des Ordens in Deutschland enthalten“ (denn dies war dem Papst vorbehalten).
Weiter wird die Zusammenarbeit gegen die Templer verfügt: „Clemens V. gibt denselben außer dem Mainzer Erzbischof den gleichen Auftrag für die Stadt Diözese und Provinz Mainz mit der Zufügung, dass der Erzbischof mit ihnen oder mit einem von ihnen, oder aber selbständig mit seinen Suffragangen vorgesehen soll“
(Vogt, RggEbMz Nr. 1197, in:
Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/19110).
Noch am gleichen Tag übertrug Clemens den Erzbischöfen die „Verwaltung der Güter des Templerordens in Deutschland“ (Vogt, RggEbMz Nr. 1198, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/19111  )
In einer weiteren Urkunde vom 12. August 1308 fordert Clemens „diejenigen, die bewegliche Güter der Templer in Verwaltung haben, auf, diesen den Diözesanbischöfen auszuliefern. Peter soll selbst oder durch seine Suffragane die Vorkommnisse veröffentlichen und in der Volkssprache erklären lassen (Vogt, RggEbMz Nr. 1199, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/19112 )
Damit war Peter von Aspelt zum Untersuchungsrichter ernannt. In dieser Eigenschaft schickte er am 27. September 1309 an den Erzbischof von Bremen und dessen Suffragane ein Schreiben von Papst Clemens vom 2. Januar 1309. Darin befiehlt Clemens allen Patriarchen, Erzbischöfen, Bischöfen und anderen Prälaten, an Sonn- und Feiertagen der Geistlichkeit und dem Volk feierlich zu verkünden, dass er gegen die Begünstiger des Templerordens ein gerichtliches Verfahren eingeleitet, Sentenzen wider sie erlassen und in der (beigefügten) Bulle vom 30. Dezember 1308 befohlen hat, die Tempelherren gefangen zu nehmen und den Diözesanbischöfen auszuliefern (Vogt, RggEbMz Nr. 1297, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/19211 )
Wie wichtig dem Papst die Bekämpfung der Templer war, wird daran erkennbar, dass er am 4. April 1310 dem Mainzer Erzbischof samt Suffraganen mitteilte: Er werde das geplante Konzil in Vienne verschieben, da die Untersuchung der Templer noch nicht abgeschlossen sei. Das Konzil hatte der Papst vorgesehen, um dort ein richterliches Urteil über die Templer zu fällen (Vogt, RggEbMz Nr. 1321, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/19235 )
Dazu brauchte er Belege für angebliche Sünden, die sich aber im Heiligen Römischen Reich nicht fanden.

Der Auftritt der Templer vor dem Mainzer Provinzialkonzil

Der Eklat kam ebenso heftig wie unerwartet. 20 bewaffnete Tempelritter schritten in den Saal, in dem der Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt  den Bischöfen aus Augsburg, Halberstadt, Speyer und Würzburg eine Neufassung kirchenrechtlicher Statuten verkündete.
Präzeptor Hugo auf Grumbach (bei Meisenheim) und seine Ordensbrüder protestierten volle Empörung an jenem 11. Mai 1310 gegen das Verfahren über die angebliche Schuld der Templer. Hugo rang dem Erzbischof drei Versprechen ab: Einsatz für den Orden gegenüber Papst Clemens, das Verlesen einer Verteidigungsschrift und den Beginn einer Untersuchung zur Unschuld der Templer.
Ganz anders die Lage in Frankreich: 54 Tempelritter starben am 12. Mai auf Weisung des Erzbischofs von Sens, Philipp von Marigny, den Flammentod auf dem Scheiterhaufen.
Sie hatten die Aussagen, die unter der Folter erzwungen worden waren, widerrufen. Weitere Hinrichtungen folgten. Damit war die zunehmend mutigere Verteidigung der Templer gebrochen.
Offensichtlich hatte der Auftritt der Templer vor dem Provinzialkonzil seine Wirkung auf den Erzbischof nicht verfehlt, mit anderen Worten: Peter bemühte sich um eine schonende Behandlung der Templer. Clemens V. schrieb ihm am 23. Dezember 1310, dass die von Peter und seinen Suffraganen verkündeten Urteile nichtig seien. Begründung: Er, Clemens, habe eine Untersuchung gegen einzelne Templer wegen Ketzerei und weiterer Verbrechen angeordnet, Peter und seinen Bischöfen aber „zugleich befohlen, sich der gerichtlichen Untersuchung und der Urteilsfällung gegen den (Gesamt-)Orden durchaus zu enthalten (denn dies stand alleine dem Papst zu, dem der Orden unterstelt war). Peters ungehorsames, anmaßendes Vorgehen habe zum großen Schaden des christlichen Glaubens und zum allgemeinen Ärgernis geführt. Am 1. Juli 1311 stellte die Untersuchungskommission die Unschuld der regional ansässigen Ordensritter fest.
Sollte dies ein gutes Omen für den Verlauf des Konzils von Vienne (Burgund, dem Heiligen Römischen Reich zumindest nominell zugehörig), das am 1. Oktober 1311 begann? Wenn es nach dem Willen des Papstes ging: keinesfalls. Clemens machte Erzbischof Peter Vorhaltungen, dieser habe „gerade auf dem Provinzialkonzil vieles nicht recht gemacht“ (Vogt, RggEbMz Nr. 1440, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/19355  ).  Der große Arbeitsausschuss, den die dreihundertköpfige Vollversammlung des Konzils wählte, folgte mit Vierfünftelmehrheit dem Votum einer (aus Bischöfen zusammengesetzten) Unterkommission, dem Templerorden ein Recht auf Verteidigung einzuräumen und den Prozess angesichts der Rechtsverstöße in Frankreich neu aufzurollen – zumal mehrere Templer vor dem Konzil erschienen waren. Dennoch folgte die Versammlung am 18. März 1312 der päpstlichen Absicht, den Orden auf dem Verwaltungsweg ohne Urteil aufzuheben, was am 3. April 1312 verkündet wurde. Grund: In den vorangegangenen Tagen hatte der französische König Philipp IV. „der Schöne“ mit diplomatischen  Mitteln und militärischer Drohgebärde Papst und Kirchenversammlung beeinflusst.
Am 2. Mai 1312 verkündete Clemens dem Erzbischof von Mainz und den Bischöfen von Prag und Olmütz, „dass er die Güter, die der wegen vieler Schändlichkeiten des Meisters und der Brüder aufgehobene Templerorden im Oktober 1308 besaß, mit Zustimmung des Konzils dem Hospital des hl. Johannes in Jerusalem übertragen hat, und gibt ihnen den Auftrag, dem Meister oder den Prioren oder den Präzeptoren oder den Brüdern des Johanniterordens in ihren Gegenden die Templergüter zuzuweisen“ (Vogt, RggEbMz Nr. 1486, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/19402 ) .
So war der Orden insgesamt zerschlagen, auch wenn sich die Übertragung der Templergüter an die Johanniter vielerorts noch länger hinzog.

Wo war die Niederlassung in Mainz?

Die Kommende befand sich in der unmittelbar südlich angrenzenden Vorstadt Selenhofen, die im 13. Jahrhundert in die Stadtbefestigung einbezogen wurde. Dieses Gelände ist heute vom mächtigen Bau der Ignazkirche (1259 erstmals urkundlich erwähnt) dominiert und von der Kapuzinerstraße, Holzstraße, Templergasse und dem Ignazgässchen abgegrenzt.
Die Ignazkirche enthält keine Reste des Vorgängerbaus. Selbst ihre Gruft mit zahlreichen Gräbern entstammt dem Spätrokoko. Hier haben der Architekt, Handwerker und Stifter ihre letzte Ruhe gefunden, die wesentlich zum Bau der Ignazkirche im 18. Jahrhundert beigetragen haben.  

Wie war sie besetzt?

Außer dem Vorsteher gehörten ihr offenbar nur zwei bis drei Tempelritter an, so dass es sich wohl eher um eine diplomatische Vertretung bei  Mainzer-Erzbischof handelte (so das Mainz-Lexikon). Da die Templer auf den Kampf im Heiligen Land ausgerichtet waren, war es üblich, im Abendland eher wenige Ritter zu belassen. Immerhin gehörten zur Niederlassung ein burgartig befestigter Gutshof mit entsprechenden Scheunen und kellern zum Einlagern der Ernte. Die Tempelritter führten ein Drittel der Einnahmen nach „Outremer“, also ins Heilige Land ab. Zu ihren Aufgaben gehörte die Beherbergung reisender Ordensbrüder und Pilger.

Was ist daraus geworden?

Der Templerhof gelangte nach der Aufhebung des Ordens an die Johanniter, die ihn schon 1316 weiterverkauften. Unter der bezeichnung „Pulverhof“ war er nach 1527 an verschiedene Handwerker vermietet, bis er 1857 abgerissen wurde. So ist sehr wenig von der alten Bausubstanz übrig geblieben, abgesehen von Teilen des Kellers im Haus „Zum kleinen Berg“ Kapuzierstraße 29 und einer gotischen Bruchstein-Giebelmauer am Rückgebäude der Kapuzinerstr. 52. Vor ca. 20 Jahren befand sich im Haus Nummer 29 ein französisches Keller-Restaurant mit Namen „Templer“. Eine Informationstafel bot geschichtliche Daten, während Abbildungen von Tempelrittern an der Wand, mittelalterlichen Motiven nachempfunden, zu einem außergewöhnlichen Ambiente beitrugen. Der damalige Wirt Pierre Stadelmann, im Juni 2024 verstorben, beantwortete Fragen und führte Templer-Interessierte zu den ältesten Teilen im Keller. 

Literatur

Böhmer, Johann Friedrich / Will, Cornelius [Bearb.]: Regesta archiepiscoporum Magunsinensium 2 (1161-1288). Innsbruck 1886. Online:
Regesta archiepiscoporum maguntinensium: Regesten zur Geschichte der Mainzer ... - Johann Friedrich Böhmer - Google Books
Das Mainz-Lexikon. Mainz 2002
Mainz - Templer - regionalgeschichte.net (klosterlexikon-rlp.de)
Rödel, Walter G.: Die Ritterorden. In: Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte. 1. Christliche Antike und Mittelalter. Teil 2. Hrsg. von Friedhelm Jürgensmeier. Würzburg 2000, S.  818-829
Vogt, Ernst [Bearb.]: Regesten der Mainzer Erzbischöfe von 1289 bis 1396. Abt. 1 Bd 1: 1289 bis 1328. Darmstadt 1913. Online: Startseite (ingrossaturbuecher.de)

 

 

Die Templergasse umfasst eigentlich nur ein Gebäude zwischen Ignazgässchen und Rheinstr. in der Mainzer südlichen Altstadt. So ist der Name auch am Eingang jenes Hauses zu lesen. 

 Das einstige Templerviertel: Kapuzinerstr. mit Ignazkirche

Die Templerstr. verläuft in der Mainzer Altstadt zwischen Rheinstr. und Rhein

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