Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

Weichenstellungen und Wendepunkte der Bundesrepublik Deutschland im Spiegel der Demoskopie

Die Materiallage ist gut: Elisabeth Noelle und Erich Peter Neumann gründeten das  Institut für  Demoskopie (IfD), Allensbach, bereits im Jahre 1947; seitdem veröffentlichten sie und ihre Nachfolgerin Renate Köcher zwölf Bände des „Allensbacher Jahrbuchs der öffentlichen Meinung“. Der jüngste Band führt die Ergebnisse aus den Jahren 2003 bis 2009 auf. Folgebände sind leider nicht gedruckt oder online erschienen. Studien und Berichte des IfD können stattdessen auf der Webseite des IfD nachgelesen werden, wobei die monatlichen Beiträge von Renate Köcher und Thomas Petersen in der FAZ wohl die größte Reichweite haben. (1)
Forschungen zur Theorie der Öffentlichen Meinung und Fallstudien zu einzelnen Epochen entstanden unter Betreuung von Elisabeth Noelle(-Neumann) und Erich Lamp am Institut für Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die z.T. auch Erkenntnisse der Sozialpsychologie einbezogen.
Bekanntermaßen war es dem Allensbacher Institut vor 1990 verwehrt, die öffentliche Meinung in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR zu untersuchen.
Weitere Umfrageinstitute kamen im Laufe der Jahrzehnte hinzu. Politikwissenschaft und Soziologie widmeten der Erforschung des Wählerverhaltens, des Wertewandels und der unterschiedlichsten Einstellungen und Meinungen der Bevölkerung seit den 1960er Jahren einen immer breiteren Raum.

Grundgesetz (2)

 

 

Im März 1949, zwei Monate vor Verabschiedung der Grundgesetzes, lautete die Frage: „Sind Sie für die Bildung eines westdeutschen Bundesstaates oder sind Sie dagegen?“
„Dafür“ waren 51 Prozent der Befragten, 23 Prozent waren „dagegen“, 13 Prozent war es „gleichgültig“, und 13 Prozent waren „unentschieden“.
Kennzeichnend für alle Erhebungen zu politischen Fragen jener Zeit war, dass Frauen weit häufiger unentschieden oder gleichgültig waren oder keine Antwort gaben. Wir können wohl von einem geringeren Interesse oder einer eher fatalistischen, grundsätzlich eher skeptischen Haltung ausgehen. Der Satz „Die Politiker machen eh, was sie wollen“ war seinerzeit nicht selten zu hören.
Zugleich wurde gefragt, „Ist Ihnen die zukünftige westdeutsche Verfassung gleichgültig oder  interessieren Sie sich dafür?“ „Gleichgültig“ war sie 40 Prozent der Bevölkerung, „mäßig interessiert“ waren 33 Prozent, „eher interessiert“ waren 21 Prozent und „unentschieden“ zeigten sich sechs Prozent. Es kann angenommen werden, dass die materiellen Sorgen der Bürger überwogen, und der damalige Bildungsstand ein detailliertes Für und Wider oder Verfassungsvergleiche selten erlaubte.
Im gleichen Monat favorisierte eine relative Mehrheit (41 Prozent) „eine möglichst starke Stellung des Präsidenten wie in den USA“ gegenüber einem „starken Parlament“ (23 Prozent). Nur selten wurde die Antwortmöglichkeit „keines von beiden“ gewählt. „Gleichgültig“ war es 28 Prozent, „unentschieden“ war kaum jemand (zwei Prozent).
Hier kam anscheinend die schlechte Erfahrungen mit den fragilen Mehrheiten im Reichstag der Jahre 1919 bis 1932 zum Ausdruck, die zum raschen Wechsel der Reichsregierungen und häufigen Wahlen führten.

Das IfD fragte: „Was sagen Sie eigentlich zu unserer heutigen Verfassung, ich meine zu unserem Grundgesetz: Finden Sie das Grundgesetz im Großen und Ganzen gut oder nicht gut?“ (1955 bis 1972 war die Frage ergänzt mit dem Zusatz „oder haben Sie sich dafür noch nicht so interessiert?“)
1955 fanden nur 30 Prozent das Grundgesetz „gut“ (1972: 52 Prozent, 2009: 82 Prozent), fünf Prozent „nicht gut“ (1972: neun Prozent, 2009: drei Prozent). „Unentschieden“ waren 14 Prozent (1972: 16 Prozent, 2009: elf Prozent). „Kenne Grundgesetz (Verfassung) nicht“
antworteten 1955: 51 Prozent, 1972: 23 Prozent und 2009: vier Prozent. Die wachsende Akzeptanz ist m.E. auf die Stabilität der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und auch auf den Gemeinschafts- bzw. Sozialkundeunterricht in den Schulen zurückzuführen, der das politische System zum Inhalt hat.
In den östlichen Bundesländern belief sich die Zustimmung im Jahre 2009 auf 58 Prozent, die Ablehnung auf zwei Prozent, während 30 Prozent unentschieden waren und vier Prozent das GG nicht kannten. (3)
Im Herbst 1966 gelang es der NPD, mit jeweils deutlich über sieben Prozent Stimmenanteil in die Landtage von Bayern und Hessen einzuziehen. War dies ein Symptom für Zweifel am System, das sich bislang recht erfolgreich entwickelt hatte? „Allensbach“ fragte im Oktober 1967, „Glauben Sie, dass die Demokratie für Deutschland die beste Staatsform ist, oder könnten Sie sich eine bessere vorstellen?“
74 Prozent aller Befragten sahen in der Demokratie für die Bundesrepublik Deutschland die beste Staatsform, vier Prozent meinten, eine andere wäre besser. Die Zustimmung wuchs proportional mit der Größe des Wohnorts (also in Dörfern eine Zweidrittelmehrheit, in Mittelstädten eine Dreiviertelmehrheit, in Großstädten 80 Prozent). Je höher der Schulabschluss, desto mehr Zustimmung und desto weniger „unentschieden“ oder „kein Urteil“. Je höher die berufliche Qualifikation, desto häufiger war die Zustimmung und desto sicherer war das Urteil. Zwischen den Anhängern von CDU/CSU, SPD und FDP waren kaum Unterschiede zu verzeichnen. Demgegenüber war die Nationaldemokratische Partei in zwei gleich große Lager gespalten: Jeweils 48 Prozent entschieden sich für die beiden gegensätzlichen Antwortvorgaben, während kaum ein NPD-Anhänger (vier Prozent) „unentschieden“ oder „ohne Urteil“ war. (4)
So hob sich die NPD von den Bundestagsparteien deutlich ab – in ihr sammelten sich sowohl Rechtsradikale, die das „System“ mindestens kritisch bis ablehnend betrachteten, als auch Protestwähler, die auf die APO reagierten. Bezeichnend an der NPD war ihr Quasi-Zusammenbruch nach dem verpassten Wahlziel 1969: Binnen kürzester Zeit war sie eine zerstrittene, radikalisierte Splitterpartei, die bei den kommenden Landtagswahlen eine Niederlage nach der anderen verzeichnete.

 

Sitz der Bundesregierung

 

22 Prozent sprachen sich im August 1949 für Frankfurt aus, acht von Hundert wünschten Berlin, zwei Prozent eine „andere Stadt“, drei Prozent favorisierten den „billigsten Ort“, während 65 Prozent nicht für eine „erneute Diskussion des Hauptstadt-Problems“ waren.
Tatsächlich entschied sich der Parlamentarische Rat am 10. Mai 1949 in einer Kampfabstimmung (Bonn vs. Frankfurt) mit 33 gegen 29 Stimmen für Bonn. Die SPD-Bundestagsfraktion beantragte am 3. September 1949 eine Bundestagsabstimmung über den Regierungs- und Parlamentssitz, die am 3. November 1949 zugunsten der Universitätsstadt am Rhein ausfiel.

1990/91 stellte sich die Frage nach Regierungs- und Parlamentssitz erneut. Der Einigungsvertrag legte Berlin als Bundeshauptstadt fest, während über Regierungs- und Parlamentssitz zu entscheiden war.
Das IfD fragte (5): „Der Einheitsvertrag sieht Berlin als deutsche Hauptstadt vor mit Sitz des Bundespräsidenten. Was meinen Sie: Sollen in absehbarer Zeit auch das Parlament  und die Regierung nach Berlin umziehen, oder soll Bonn auf Dauer Regierungssitz bleiben?“
Im September 1990 waren 35 Prozent der Befragten in den „alten Ländern“ (Dezember: 31 Prozent) für die Verlegung, während sowohl im September als auch im Dezember 1990 ebendort 49 Prozent die Bundes-Exekutive und -Legislative dauerhaft in Bonn sehen wollten (unentschieden: 16 bzw. 20 Prozent).
Es wird nicht verwundern, dass im Beitrittsgebiet die Frage ganz anders beantwortet wurde. Dort waren im September 1990 59 Prozent für den Umzug, im Dezember des gleichen Jahres waren es 65 Prozent.  Bonn solle dauerhaft Regierungs- (und Parlamenents)-Sitz bleiben, waren jeweils 16 Prozent, unentschieden waren 25 Prozent im September und 19 Prozent im Dezember 1990.
Der Bundestag entschied sich am 20. Juni 1991 mit 338 zu 320 Stimmen für den Umzug von Bundesregierung und Bundestag nach Berlin. Der Bundesrat entschied sich zunächst für ein Verbleiben in Bonn, revidierte diesen Beschluss aber 1996 zugunsten Berlins.
Im Sommer 1991 überwog in den westlichen Bundesländern die Umzufriedenheit mit dem Bundestagsbeschluss deutlich (im Juli: 31 Prozent „zufrieden“ gegenüber 51 Prozent).  In den östlichen Bundesländern war die Zufriedenheit mit der Entscheidung angesichts 61 Prozent (vs. 15 Prozent) im gleichen Monat recht hoch.
Nicht wenige (72 Prozent vs. 18 Prozent) der Befragten in den „alten Bundesländern“ hätten im Mai 1992 eine Verschiebung des großen Umzugs favorisiert, um das „freiwerdende Geld sinnvoller für die Aufgaben in den neuen Bundesländern um[zu]setzen“. Die Gegenmeinung plädierte für die sofortige Umsetzung der Bundestagsentscheidung angesichts des über Jahrzehnte gegebenen Versprechens zugunsten Berlins.

 

Bundesflagge (6)

 

Die Meinungsforscher wollten im März 1949 wissen: „Dem Parlamentarischen Rat liegen zwei Vorschläge für eine westdeutsche Bundesfahne vor, und zwar:
1., die schwarz-rot-goldne Reichsflagge, wie sie von 1918 bis 1933 benutzt wurde
oder
2., ein neuer Entwurf, der ein schwarzes, goldumrandetes Kreuz auf rotem Grund zeigt.
Welcher Vorschlag gefällt Ihnen besser?“
Die „alte Reichsflagge“ [der Weimarer Republik] wollten 35 Prozent der Befragten.
Der „neue Entwurf“ stieß bei 15 Prozent auf Zustimmung. Jedem Zehnten gefiel keiner der beiden Vorschläge, fünf Prozent stuften das Thema als „nicht akut“ ein. „Unentschieden“ waren 23 Prozent und egal war es zwölf Prozent.
Eine andere Befragung zum gleichen Thema ergab 31 Prozent für schwarz-rot-gold, 25 Prozent für schwarz-weiß-rot und neun Prozent für „andere Farben“. „Unentschieden“ oder „gleichgültig“ waren 35 Prozent.
Art. 22 des Grundgesetzes legte fest, „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold“.

 

Hymne (7

 

Die „Hymne an Deutschland“ von Rudolf Alexander Schröder, vertont von Heinrich Reutter und favorisiert von Bundespräsident Theodor der Aktion des Bistums Osnabrück gegen Antisemitismus. Bildquelle: Efraim Yehoud-Desel, commons.wikimedia.org, war im Januar 1951 40 Prozent der Befragten unbekannt. So waren laut der gleichen Erhebung auch nur acht Prozent dafür, 29 Prozent dagegen und 15  Prozent unentschieden, „ob dieses Lied die neue Nationalhymne werden soll“.
Ganz anders die Einstellung über die Wiedereinführung des Deutschlandliedes. 73 Prozent  waren im September 1951 „dafür“, neun Prozent „dagegen“, 13 Prozent „unentschieden“.
Im gleichen Monat überwog die Zustimmung zur dritten Strophe (30 Prozent) vs. 25 Prozent für die erste Strophe, während 27 Prozent nicht für das Deutschlandlied waren, es elf Prozent egal war, und sieben Prozent eine „andere Antwort“ gaben. (8)

Ein Briefwechsel von Bundespräsident und Bundeskanzler, veröffentlicht im Bulletin des Bundespresseamtes am 6. Mai 1952, beendete die Debatte zugunsten des Deutschlandlieds („Bei staatlichen Veranstaltungen soll die dritte Strophe gesungen werden“). Im August 1991 entschied Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit Zustimmung von Bundeskanzler Helmut Kohl, alleine die dritte Strophe sei Nationalhymne.

 

Politische Partizipation (9)

 

An der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 beteiligten sich rund 80 Prozent der Wahlberechtigten, Frauen fast ebenso häufig wie Männer. Wer nicht wählte, begründete dies gegenüber „Allensbach“ mit „politischem Desinteresse“ (acht Prozent), machte „persönliche Umstände geltend“ (sieben Prozent) oder übte Kritik an den Parteien (sieben Prozent). Sehr selten wurde eine Wahlverweigerung mit dem Verweis auf die Besatzungsmächte begründet (ein Prozent der Männer). (10)
Grundlegende politische Kenntnisse wuchsen allmählich von einem niedrigen Niveau aus:
„Gibt es im Bundestag einen Abgeordneten, der speziell den hiesigen Wahlkreis vertritt?“ - 37 Prozent der Befragten bejahten diese Frage im Jahre 1951. „Nein“ oder „weiß nicht“ antworteten 63 Prozent. Zwei Jahre später waren es 40 Prozent, nach der zweiten Bundestagswahl bereits 50 Prozent.
Wieviele Abgeordnete es gibt, war vielen Bundesdeutschen nicht bekannt: der erste Bundestag zählte 402 MdB (plus acht nicht voll stimmberechtigte Berliner Volksvertreter). Nur zwölf bis 15 Prozent machten in den Jahren 1951, 1952, 1953, 1955 richtige Angaben, während rund 82 Prozent unzutreffende Zahlen nannten, und zwischen drei und sechs von Hundert „keine Vorstellung“ äußerten. Anmerkung:  Von 1951 bis 1953 wertete das Institut für Demoskopie alle Zahlen zwischen 376 und 409 (Mandate) als zutreffend, 1954 alle Angaben zwischen 470 und 500 (der Deutsche Bundestag umfasste nach Wahlrechtsänderungen in der zweiten Legislaturperiode 487 Mandatsträger).
In den Wochen nach der konstituierenden Sitzung des Parlaments am 9. September 1949 blieb der Eindruck bei Teilen der Bevökerung eingetrübt oder schleierhaft: „Ungünstig“ befanden 32 Prozent, „günstig“ 21 Prozent, „unentschieden“ waren 24 Prozent, „kein Urteil“ äußerten 23 Prozent (v.a. 32 Prozent der Frauen vs. 13 Prozent der Männer).
Personen, die einen „ungünstigen Eindruck“ angeben, begründeten dies mit „zuviel Gerede“, „keine Taten“ (13 Prozent), „Unfähigkeit und Egoismus von Parteien und Abgeordneten“ (sieben Prozent), „Regierung der Besitzenden, nicht sozial genug“ (fünf Prozent), „Abhängigkeit von der Militärregierung“ (fünf Prozent), ein „zu teurer Apparat für ein verarmtes Volk“ (drei Prozent). Es handelte sich um eine offene Fragestellung (ohne Antwortvorgaben).
Heute, im Abstand von mehr als 70 Jahren, mag das geringe Vertrauen in die jeweiligen Volksvertreter im eigenen Wahlkreis verblüffen. Die offene Frage lautete: „Wenn Sie dem Abgeordneten, der Ihren Wahlkreis vertritt, einen Brief schreiben würden: Was denken Sie, würde mit dem Brief geschehen?“  Im Mai 1951 meinten 49 Prozent, „würde nicht gelesen werden bzw. würde ihn gar nicht erreichen“ (die Werte für den gleichen Monat 1952: 38 Prozent, 1953  und 1954 35 Prozent). Entsprechend stieg das grundsätzliche Vertrauen: „Würde gelesen werden“ antworteten 1951: 32 Prozent, 1952: 43 Prozent, 1953: 48 Prozent, 1954: 46 Prozent). „Weiß nicht“ oder „kommt darauf an“ erwiderten zwischen 17 und 19 Prozent.
Auch die Antwortvorgabe „Man muss große Fähigkeiten haben, um Abgeordneter zu werden, wuchs in  der ersten Hälfte der 1950er Jahre kontinuierlich an: von 39 Prozent auf 49 Prozent.  Unentschieden waren seinerzeit zwischen 17 und 23 Prozent. (11)

 

Antisemitismus (12)

 

Im August 1949 stellte das Institut mehrere Fragen zur Einstellung gegenüber Juden.
„Haben Sie in Ihrem Leben einmal nähere Bekanntschaften mit Menschen jüdischer Abstammung gemacht?
Exakt drei Viertel der Befragten bejahten, wobei sich kaum Unterschiede zwischen den Antworten von Männern und Frauen zeigten.
Die Frage an die Personen, die mit jüdischen Personen bekannt waren: „Haben Sie an diese Bekanntschaften eine gute, eine schlechte oder eine gleichgültige Erinnerung?“ Eine „gute Erinnerung“ hatten 37 Prozent (Männer: 32 Prozent, Frauen: 42 Prozent), eine „schlechte Erinnerung“ hatten neun Prozent (Männer: elf, Frauen sieben Prozent), und „keine besondere Erinnerung“ hatten 20 Prozent.
Dennoch existierten nicht geringe Vorbehalte gegen Juden, wie sich aus der gleichen Erhebung ergab: „Manche Leute sagen, die Juden seien auf Grund ihrer Geschäftstüchtigkeit unbeliebt. Halten Sie das für richtig oder falsch?“ „Richtig“: 39 Prozent (Männer: 37 Prozent, Frauen: 42 Prozent), „falsch“: 31 Prozent (Männer: 35 Prozent, Frauen: 27 Prozent), „Kommt auf Ort, Zeit, Personenkreis an“: 21 Prozent (Männer: 24 Prozent, Frauen: 19 Prozent), unentschieden: neun Prozent (Männer: vier, Frauen zwölf Prozent).
„Was würden Sie als die Ursache des Antisemitismus bezeichnen: die Eigenheiten jüdischer Volksgruppen, die jüdische Religion, die antijüdische Propaganda – oder was sonst?“ „Die Eigenheiten jüdischer Volksgruppen“ behaupteten 53 Prozent, die „antisemitische Propaganda“ antworteten 30 Prozent, die „jüdische Religion“ machten zwölf Prozent dafür verantwortlich, „andere Gründe“ nannten acht Prozent und „unentschieden“ waren 14 Prozent.
„Glauben Sie, dass die Nationalsozialisten die Abneigung gegen die Juden vermehrt haben oder glauben Sie, daß die antijüdische Propaganda eher das Gegenteil bewirkt hat?“
Dass die Propaganda die Abneigung verstärkt habe, meinten 65 Prozent der Befragten  (Männer: 70 Prozent, Frauen: 61 Prozent). Die Propaganda habe „das Gegenteil bewirkt“, antworteten 13 Prozent (kaum Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Befragten), während 22 Prozent unentschieden waren (Männer: 18, Frauen 26 Prozent).
Relevante Aussagen brachte auch die Frage nach dem eigenen Erleben: „Wie ist es Ihnen persönlich ergangen: Hat der Nationalsozialismus Ihre Einstellung den Juden gegenüber im guten oder schlechten Sinn verändert?“
52 Prozent antworteten, „die antijüdische Propaganda war mir gleichgültig“. Auf 27 Prozent habe sie „abstoßend“ gewirkt, während 21 Prozent resümierten, sie hätten der „NS-Propaganda Vertrauen geschenkt“.
„Glauben Sie, dass Deutschland gegenüber den noch lebenden Juden die Pflicht zur Wiedergutmachung hat?“ Im August 1949 bejahten dies 54 Prozent. 31 Prozent bestritten es und 15 Prozent waren unentschieden.
„Wenn ein Nichtjude nach 1933 ein jüdisches Geschäft gekauft hat, und der frühere Besitzer verlangt nun die Rückgabe unter den gleichen Bedingungen, würden Sie sagen, seine Ansprüche bestehen zu Recht oder zu Unrecht?“
„Zu Recht, falls das NS-Regime eindeutig die Ursache des Verkaufs [war]“, befanden 39 Prozent, „zu Unrecht“: 28 Prozent, „kommt darauf an“: 25 Prozent, und „unentschieden“ waren acht Prozent.
„Sollen Personen, die sich heute antisemitisch betätigen, von den Gerichten bestraft werden oder nicht?“ Das Meinungsklima war im August 1949 gespalten: 43 Prozent sagten „nein“, „ja“ antworteten 41 Prozent, und 16 Prozent waren unentschieden.
Bild: Logo der Aktion des Bistums Osnabrück gegen Antisemitismus. Bildquelle: Efraim Yehoud-Desel, commons.wikimedia.org
„Würden Sie ein Mädchen (einen Mann) jüdischer Abstammung heiraten bzw. geheiratet haben? 70 Prozent (Männer: 67 Prozent, Frauen: 73 Prozent): „nein“, „vielleicht“: 22 Prozent, „ja“:  acht Prozent.
„Wenn Sie die Auswahl hätten, Waren in gleicher Qualität in einem jüdischen oder in einem nichtjüdischen Geschäft zu kaufen, und Sie hätten in dem jüdischen Geschäft einen etwas geringeren Preis zu zahlen – wo würden Sie dann kaufen?“
Im „jüdischen Geschäft“ würden 54 Prozent einkaufen, im „nichtjüdischen Geschäft“: 25 Prozent, „wo es bequemer wäre“: zwölf Prozent.

 

Interesse an Politik

 

Zwar war die Beteiligung an der Bundestagswahl 1949 hoch (knapp 80 Prozent), doch sahen viele Bürgerinnen und Bürger darin wohl eher eine staatsbürgerliche Pflicht, als dass sie sich wirklich für Politik interessiert hätten.
Im Jahre 1952  beantworteten 27 Prozent die Frage „Interessieren Sie sich eigentlich für Politik?“ mit „ja“, 41 Prozent mit „nicht besonders“, während 32 Prozent „gar nicht“ erwiderten oder „keine konkrete Angabe“ machten. Das Interesse stieg allmählich und in den Jahren 1967 bis 1973 sprunghaft (von 38 auf 49 Prozent) (13) an, wohl bedingt durch die Studentenproteste und die Debatten um die „neue Ostpolitik“.

Symptomatisch für die späten 1960er und frühen 1970er war auch die deutliche Zunahme politischer Artikel und Meinungsbekundungen in der erfolgreichen Publikumszeitschrift „Stern“ (stellvertretend für andere Medien), die kaum zu überhörenden und übersehenden Debatten für und wider eine neue Ostpolitik, um den Paragrafen 218 und manche andere Themen mehr, die auf einmal selbst zu den „Unpolitischen“ durchdrangen.  Eine vorher nicht gekannte Bekenntnisfreudigkeit war angesagt, als sich im Jahre 1969 v.a. auf der linken Seite des politischen Spektrums Prominente wie Hans-Joachim Kulenkampf, Günter Grass, Inge Meysel und andere für Willy Brandt aussprachen. 1972 waren zwar das SPD-FDP-Meinungslager und die CDU/CSU-Anhänger etwa gleich stark, aber die linke Seite war weit bekenntnisfreudiger, während sich eher Konservative zurückzogen. Der Eindruck, Brandt sei auf der Siegerstraße verstärkte sich, während sich Anhänger des CDU-Spitzenkandidaten nicht den „Mund verbrennen“ wollten. Elisabeth Noelle-Neumann entwickelte mit Blick auf diese Tendenz die Theorie der „Schweigespirale“: Das eine Meinungslager wird immer selbstbewusster und redefreudiger, während sich das andere in Gesprächen zurückhält. So gewannen SPD und FDP.

 

Bundeswehr

 

Zwischen 1950 und 1955 stellte das IfD die Frage „Sind sie für oder gegen den Aufbau einer  selbständigen deutschen Armee? Vom November 1950 stieg die Zahl der Befürworter von 33 Prozent (dagegen: 48 Prozent) auf 42 Prozent (Juni 1951). Dies kann durch den Angriffskrieg des stalinistischen Nordkorea gegen Südkorea erklärt werden, wobei dort auch rotchinesische Truppen zum Einsatz kamen. Im Jahre 1952 rückte das Ziel der Deutschen Einheit wegen der verstärkten Absperrung der innerdeutschen Grenze in immer weitere Ferne. Die Befürworter einer Truppenaufstellung nahmen von 46 Prozent auf 39 Prozent ab. Mai 1953 sank die Zustimmung zu einer westdeutschen Armee auf 35 Prozent (dagegen: 44 Prozent). zwischen August 1953 und November 1954 waren die Fürsprecher westdeutscher Streitkräfte in der Überzahl (zwischen 42 und 45 Prozent versus 35 bis 38 Prozent), während im November 1954 die Gegner mit 43 Prozent vs. 39 Prozent knapp vorne lagen. (14)
Die zunehmende Befürwortung ergab sich vermutlich aus der gewaltsamen Niederschlagung des Juniaufstands in der Ostzone (wie die DDR seinerzeit meistens genannt wurde, alias SBZ, Sowjetzone, „Pankow“).

Eine Erfolgsgeschichte? Die Bundesrepublik und die Deutsche Einheit im Meinungsbild von West- und Ostdeutschen

 

 

„Wenn Sie auf die Entwicklung Deutschlands seit der Wiedervereinigung zurückschauen, die ja mittlerweile 30 Jahre her ist: Würden Sie sagen, es handelt sich alles in allem um eine Erfolgsgeschichte oder würden Sie das nicht sagen?“
60 Prozent aller repräsentativ befragten Deutschen entschieden sich für die Antwortvorgabe „Erfolgsgeschichte“, während 18 Prozent „das nicht sagen würden“ und 22 Prozent „unentschieden“ waren.
In den östlichen Bundesländern waren die Antworten ähnlich: 56 Prozent für die Vorgabe „Erfolgsgeschichte“, 20 Prozent widersprachen, „unentschieden“ waren 24 Prozent.
Die Erhebung des IfD datiert vom Juni 2022. (15)

Achtundsechziger Bewegung (16)

Im Juli 1967 untersuchte das Institut für Demoskopie (Allensbach) die Einstellung der Bevölkerung zu den Studentenprotesten im Allgemeinen:
20 Prozent der Befragten unterstützten die Antwortvorgabe „Studenten sollen überhaupt nicht demonstrieren“. „Studenten sollen höchstens demonstrieren, wenn es um Universitäts- und Hochschulprobleme geht“, meinten 44 Prozent, während 26 Prozent den Studenten „durchaus zubilligen wollten, dass sie wegen politische[r] Fragen auf die Straße gehen und demonstrieren“.
Eine andere, gleichzeitig entstandene Erhebung ergab ein ähnliches Bild:
„Hier unterhalten sich zwei Leute über Studenten-Unruhen und Demonstrationen. Welcher sagt das, was sie denlen?
(1) Ich bin gegen Studenten-Demonstrationen. Die Studenten gehen auf die Straße, ohne recht zu wissen, was sie eigentlich wollen. Den meisten fehlt doch die Urteilskraft und die Einsicht. Sie sollen lieber sehen, dasss sie mit ihrem Studium zurecht kommen“.
(2) Ich finde es gut, wenn die Studenten auf diese Weise zu politischen Fragen Stellung nehmen. Es kann uns gar nichts schaden, wenn es Leute gibt, die für ihre Überzeugung auf die Straße gehen und gegen politische Mißstände demonstrieren, auch wenn sie dabei manchmal übers Ziel hinausschießen“.
53 Prozent der Befragten lehnten Studentendemonstrationen ab, 31 Prozent befürworteten sie grundsätzlich, während 16 Prozent unentschieden waren oder kein Urteil abgaben. Während die Anhänger der SPD und v.a. der CDU/CSU der erstgenannten Meinung mit großen Mehrheiten zustimmten, hielten sich bei der FDP Anhänger und Gegner annähernd die Waage.
Als im September 1968 – nach dem Mordversuch an Rudi Dutschke und den Osterunruhen – die Frage erneut gestellt wurde, zeigte sich das Meinungsklima kaum verändert. Die Zusatzfrage, wie groß der Anteil der Springer-Zeitungen an der täglichen Lektüre ist, ergab: Die Meinungsverteilung änderte sich durch die Lektüre von „Bild“, „Welt“ und der weiteren Zeitungen aus diesem Verlag erstens wenig und zweitens nicht proportional.

 

Gesellschaftlicher Zusammenhalt vs. Vertrauensdefizite (17)

 

„Wenn Sie in eine schwierige Lage kommen würden: Gibt es für Sie einen Menschen, der Ihnen dann helfen würde?“ Im Jahre 1951, kurz nach dem totalitären Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg, bejahten 63 Prozent diese Frage, 37 Prozent wussten keinen „Helfer“.
Völlig anders die Einschätzungen in der jüngeren Vergangenheit: Im Jahre 2001 konnten sich 90 Prozent (vs. zehn Prozent) einen Helfer in der Not vorstellen. Im vergangenen Jahr waren es sogar 96 gegenüber vier Prozent. Nachfrage: „Würden Sie mir sagen, an wen Sie denken?“ Hier war das Ergebnis recht eindeutig: 82 Prozent verwiesen auf die Familie, 29 Prozent auf Freunde, gefolgt von Kollegen, Pfarrern/Geistlichen, anderen (jeweils ein Prozent).
„Glauben Sie, dass man den meisten Menschen vertrauen kann?“
In der frühen Bundesrepublik (1951) antworteten nur 13 Prozent, „kann vertrauen“, während 83 Prozent ebendies verneinten. Dieser Wert ist sicher auf die Erfahrung totalitärer Herrschaft zurückzuführen. In den 1980er Jahren wurden Werte zwischen 35 und 42 Prozent registriert, in der jüngsten Erhebung stellten 37 Prozent der repräsentativ Befragten Deutschen fest, man könne den meisten Menschen vertrauen, die gleiche Zahl bestritt dies, während 26 Prozent keine Angabe machten.

Ist zur Jahreswende 2023/24 und auch gegenwärtig die Stimmung der Deutschen getrübt? Ja, die Niedergeschlagenheit in mancher Hinsicht ist leicht zu spüren: Ukrainekrieg, Gazakrieg, eine drohende Eskalation im Zusammenhang mit dem Iran und vieles mehr. „Würden Sie sagen, wir leben heute alles in allem in einer glücklichen Zeit, oder haben Sie das Gefühl, dass wir ziemlich schwierige Zeiten durchmachen?“ Im Jahre 2019 hielten sich die beiden Positionen glücklich vs. schwierig noch in etwa die Waage (40 vs. 41 Prozent). Seitdem hat sich die Befindlichkeit der Bevölkerung völlig verändert, was sich außer auf die genannten Kriege auf die fast schon täglich belegte Unzufriedenheit mit der „Ampelkoalition“ zurückführen lässt. Nur noch 16 Prozent wähnen sich in „glücklichen Zeiten“, während sich 72 Prozent in „schwierigen Zeiten“ verorten. Ähnlich war es im Jahre 1993 wegen der Wirtschaftsrezession, ausländerfeindlicher Kriminalität, Transformationsschwierigkeiten in den neuen Bundesländern usw. Wenn zum Jahreswechsel 2022/23 nur 28 Prozent der Deutschen den „kommenden Jahr mit Hoffnungen entgegensehen“, so entspricht dieser Wert den Befunden von 1950/51 (Koreakrieg) und unterbietet den Pessimismus der Bundesdeutschen während der ersten (1973/74) und der zweiten Ölkrise (1979/80), nach dem Massenmord von 9/11 und dem Beginn der Finanzmarktkrise (2008/09)
Aussagekräftig sind auch die ergebnisse einer weiteren Erhebung: „Einmal ganz allgemein gefragt. Wie ist Ihr Eindruck: Leben wir heute in einer besonders unsicheren Zeit, oder würden Sie sagen, vor zehn, 15 Jahren war alles genauso unsicher?“
Eine „besonders unsichere Zeit“ sahen im Jahre 2019 45 Prozent (vor zehn, 15 Jahren genauso unsicher: 33 Prozent, unentschieden, keine Angabe. 22 Prozent), drei Jahre später 68 Prozent (vs. 19 und 13 Prozent) und Dezember 2023 ganze 76 von Hundert, gegenüber jeweils zwölf Prozent für die anderen Antwortvorgaben.
Eine „glückliche Zeit“ erkannten Ende 2023 nur 16 Prozent vs. „ziemlich schwierige Zeiten“ (72 Prozent) bei zwölf Prozent Unentschiedenen.
Dennoch überwogen seinerzeit für 71 Prozent die „positiven Gefühle“. Zwölf Prozent empfanden für sich positive und negative Gefühle gleich stark, für 17 Prozent überwogen die negativen Gefühle. Bemerkenswert: Während sich rund sieben von zehn Befragte eher im „grünen Bereich“ ihrer Gefühlswelt einordnen, sah sich eine Dreiviertel-Mehrheit in „unsicheren Zeiten“.  Im ersten Halbjahr 2023  dürfte sich daran kaum etwas geändert haben.
Angesichts einer von vielen als schwierig oder auch unsicher empfundenen Gegenwart stellt sich die Frage nach Gott. Der Religionsmonitor 2023 der Bertelsmann-Stiftung hat die religiösen Identitäten der Wohnbevölkerung in Deutschland ab 16 Jahre mit demoskopischen Mitteln untersucht.(18)
„Welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an oder fühlen sich zugehörig?“ 50 Prozent bekannten sich zum Christentum, 8,5 Prozent zum Islam, 35,9 Prozent antworteten „zu keiner Religionsgemeinschaft“. Der Rest identifizierte sich mit der jüdischen Religion, mit Hinduismus, Buddhismus oder nannte eine andere Religionsgemeinschaft.
Nur 15 Prozent der Christen besuchen mindestens einmal monatlich den Gottesdienst,
22 Prozent beten täglich und zwölf Prozent wöchentlich beten. 43 Prozent beten seltener, 23 Prozent nie.
„Wie stark glauben Sie daran, dass Gott […]  existiert? Als wie religiös / spirituell würden Sie sich selbst bezeichnen?“ 47 Prozent der Christen antworteten mit „ziemlich“ oder „sehr stark“, 44 Prozent antworteten „wenig“ oder „mittel“, neun Prozent „gar nicht“. Ganz anders waren die Antworten bei den Muslimen in Deutschland verteilt: 85 Prozent stuften sich als „ziemlich“ oder „sehr stark“ gläubig ein.
Die Frage nach der religiösen Selbsteinschätzung zielt außer auf den Gottesglauben auf die Einbettung in religiöse Netzwerke und praktizierten Glauben. „Als wie religiös / spirituell würden Sie sich selbst bezeichnen?“ „Ziemlich“ oder „sehr stark“ sind nach eigener Einschätzung 20 Prozent der befragten Christen, 60 Prozent entschieden sich für die Antwortvorgaben „wenig“ oder „mittel“, elf von Hundert meinten „gar nicht“.
Die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (Fowid) – eine Einrichtung der atheistischen Giordano-Bruno-Stiftung – ermittelt im Jahre 2022/23 ähnliche Daten (aber weniger Musline und mehr Konfessionslose),19 so dass sich ein Referieren weitgehend erübrigt.
Schluss: Die Deutschen – ein glückliches Volk?
Am 20. März 2024 war zu lesen: Eine weltweite Erhebung aus den Jahren 2021 bis 2023 ergab, dass sich die Finnen als glücklichstes Volk der Welt betrachten – gefolgt von Dänemark, Island, Schweden, Norwegen und Israel (vor dem Regierungswechsel und dem Gaza-Krieg). Deutschland steht auf Platz 24 – nach dem 16. Rang zuvor. (20)
Daran wird sich wohl auch nicht viel in nächster Zeit ändern.
Junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren (Generation Z) sind laut der Studie „Jugend in Deutschland 2024“ in Sorge um steigende Preise (65 Prozent), „teuren bzw. knappen Wohnraum“ (54 Prozent), „Altersarmut“, „Wirtschaftskrise“ (beide 48 Prozent) und dem „Zusammenbruch des Rentensystems“ (44 Prozent) erfüllt – es ist also eine mehrschichtige Furcht vor materiellen Verlusten bis hin zum sozialen Abstieg. Diese schweren Bedenken sind in den vergangenen Jahren stark angewachsen. Junge Menschen sind desweiteren erfüllt von Angst vor „Krieg in Europa und Nahost“ (60 Prozent), in Angst vor dem Klimawandel (49 Prozent, leicht gesunken nach 55 Prozent vor zwei Jahren) und vor einer „Zunahme der Flüchtlingsströme“ (hier gab es innerhalb zweier Jahre den stärksten Zuwachs von 22 Prozent 2022 über 25 Prozent 2023 auf 41 Prozent diesjahr).
Die Befragten konnten mehrere Antworten abgeben.
Diese Krisenängste sind nicht abwegig, aber sie werden durch die Medien verstärkt (schlechte Nachrichten haben einen höheren Nachrichtenwert als gute Nachrichten, d.h. sie werden mit größerer Wahrscheinlichkeit an die Öffentlichkeit weitergegeben). Der Ukraine-Krieg und die Gefahr einer Ausweitung des Krieges im Nahen Osten erschienen offenbar bedrohlicher, ungewohnter und unberechenbarer als Krisen in der jüngeren Vergangenheit.  Wenig vertrauenserweckend erscheinen gerade auch bezüglich der inneren Probleme die Parteien, so dass sich 25 Prozent der Befragten angesichts der „Sonntagsfrage“ unentschieden zeigten. (21)
Zwar sprachen 44 Prozent der Befragten von der Angst vor einem Erstarken rechtsextremer Parteien, nach 32 und 35 Prozent in den Jahren 2022 und 2023. Eine Antwortmöglichkeit „Sorgen wegen Wokismus, Angst vor sozialer Isolation wegen einer unerwünschten Meinung“ war offenbar nicht geboten worden.
Verunsicherung und Angst werden tendenziell größer, je geringer Werte und Tugenden entwickelt sind.  Seit einigen Jahrzehnten ist eine Säkularisierung zu verzeichnen, genauer: eine Ent-Christianisierung. Ein bestimmt nicht belangloser Aspekt in Bezug auf die Identität.

 

 

(1) Studien und Berichte - Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) (ifd-allensbach.de) . Es werden oft unpolitische Themen behandelt.
FAZ-Monatsberichte - Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) (ifd-allensbach.de) : vollständige  kostenlose Wiedergabe der Artikel ab Januar 2011, Liste der Artikel ab 1993. Vorzugsweise sind es politisch-gesellschaftliche Themen.

 

(2) Vgl.  Allensbacher Jahrbuch, Bd. 1, S. 157ff.

(3) Vgl. Allensbacher Jahrbuch, Bd. 12, S. 20

(4) Vgl. Allensbacher Jahrbuch, Bd. 5, S. 223

(5) Vgl. Allensbacher Jahrbuch, Bd. 9, S. 674f. Das IfD verwendete dabei irrtümlich den Begriff „Einheitsvertrag“ statt „Einigungsvertrag“.

(6) Vgl. Allensbacher Jahrbuch, Bd. 1, S. 158

(7) Vgl. Allensbacher Jahrbuch, Bd. 1, S. 159

(8) Vgl. Allensbacher Jahrbuch, Bd. 1, S. 159

(9) Vgl. Allensbacher Jahrbuch, Bd. 1, S. 162

(10) Vgl. Allensbacher Jahrbuch, Bd. 1, S. 160

(11) Allensbacher Jahrbuch, Bd. 1, S. 162

(12) Allensbacher Jahrbuch, Bd. 1, S. 128-131

(13) Allensbacher Jahrbuch, Bd. 5, S. 213

(14) Allensbacher Jahrbuch, Bd. 1, S. 372f.

(15) Vgl. PowerPoint-Präsentation (bundesstiftung-helmut-kohl.de)

(16) Vgl. Winckler, Stefan: „Die Welt“ - Sprachrohr der schweigenden Mehrheit? Die Gegnerschaft zu den politischen Demonstrationen der Studenten 1967/68 aus publizistikwissenschaftlicher Sicht. In: Becker, Hartmuth / Dirsch, Felix / Winckler, Stefan (Hrsg.): Die 68er und ihre Gegner. Der Widerstand gegen die Kulturrevolution. Graz 2003, S. 183-207, dort S. 185ff.

(17) Vgl. Petersen, Thomas: Glück in schwierigen Zeiten. In. FAZ, Nr. 298 (2023), 21.12.2023

(18)   Vgl. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Religionsmonitor 2023. Zusammenleben in religiöser Vielfalt. Gütersloh 2023. Online:  ST_DZ_Religionsmonitor_Zusammenleben_in_religioeser_Vielfalt_2023.pdf , dort S. 16, S. 23.

(19) Vgl.  https://fowid.de/meldung/religionszugehoerigkeiten-2022

(20) Vgl.  Weltglücksbericht 2024: Finnen erneut am glücklichsten | tagesschau.de

(21) Vgl.  Jugendstudie: Gen Z ist verunsichert und unzufrieden - Nachrichten - WDR

 

Literatur

 

 

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Religionsmonitor 2023. Zusammenleben in religiöser Vielfalt. Gütersloh 2023. Online:  ST_DZ_Religionsmonitor_Zusammenleben_in_religioeser_Vielfalt_2023.pdf
Institut für Demoskopie Allensbach/Michael Sommer: Helmut Kohl im Gedächtnis der Deutschen. Aktuelle Ergebnisse repräsentativer Befragungen der Bevölkerung und der jungen Generation. Online: PowerPoint-Präsentation (bundesstiftung-helmut-kohl.de)
Köcher, Renate (Hrsg.): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 2003-2009. Die Berliner Republik, Berlin 2009.
Online (Vorschau): 2003–2009 (Die Berliner Republik) - Google Books
Neumann, Erich Peter / Noelle, Elisabeth (Hrsg.): Allensbacher Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 1, Allensbach 1956
Neumann, Erich Peter / Noelle-Neumann, Elisabeth (Hrsg.): Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1965-1967. Allensbach 1967
Noelle-Neumann, Elisabeth: Pressekonzentration und Meinungsbildung. In: Publizistik, 13. Jg. (1968), S. 107-136
Petersen, Thomas: Glück in schwierigen Zeiten. Eine Dokumentation des Beitrags von Dr. Thomas Petersen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 298 vom 21. Dezember 2023. Online: FAZ_Dezember2023_Glueck (ifd-allensbach.de)

© Stefan Winckler

 

 



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