Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

© Stefan Winckler

Vor 45 Jahren: Das Lod-Massaker

   

Was wäre der linksradikale Terrorismus der 1970er Jahre ohne internationale Verknüpfungen gewesen? Ein Blick auf die sog.“Japanische Rote Armee“ zeigt zugleich die geradezu zentrale Rolle der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) auf.

Das ultra-extremistische Zerfallsprodukt der Studentenbewegung in Deutschland war die Baader-Meinhof-Bande, deren Pendant im Fernen Osten war die "Japanische Rote Armee". Beide scheiterten mit dem Konzept einer Stadtguerilla. 

Gleichzeitig versuchte die palästinensische Guerilla in Jordanien zunächst einen Staat im Staate zu bilden, und dann die ganze Macht an sich zu reißen. König Hussein gelang es, diesen Aufstand militärisch niederzuschlagen. Die PLO und ihre radikalste Gruppe, die PFLP, hatten das Land zu verlassen.  

1971 begannen die „Japanische Rote Armee“ und die PFLP im Ungeist einer internationalistischen, weltrevolutionären Solidarität zu kooperieren. Aus Japan kamen Geld, Medikamente und Verbandsmaterial zur PFLP. Eine gemeinsame Veröffentlichung trug den Titel „Die arabischen Guerillas und die weltweite Rote Armee“, ein „Unterstützungszentrum für das palästinensische Volk (Japan)“ eröffnete in Beirut. Terroristen aus Japan unterzogen sich einer Ausbildung an den Waffen im Libanon. Die PFLP-Führer Dr. Wadi Haddad und Leila Chalid beauftragten die Japaner, einen Massenmord in der Ankunftshalle des israelischen Flughafens Lod bei Tel Aviv (heute: Flughafen Ben Gurion) zu begehen. Von Europa aus reisten die Japaner im bürgerlichen Outfit mit fünf Maschinenpistolen, zwölf Munitionsmagazinen und sechs Handgranaten ein. Am 30.5.1972 ermordeten sie 26 Personen, darunter 19 christliche Pilger aus Puerto Rico. Verletzt wurden 77 Menschen. Israelische Sicherheitskräften erschossen einen der Terroristen, ein anderer beging Suizid. Der dritte, Kozo Okamoto, wurde verhaftet, als er im Begriff war, eine Handgranate gegen ein Flugzeug zu schleudern. Zu lebenslänglicher Haft verurteilt, wurde er später ausgetauscht und ist seitdem im Libanon ansässig - als freier Mann. Nach wie vor genießt er bei nicht wenigen Arabern Verehrung.

Noch im Jahr 2016 würdigte die palästinensische Regierungspartei Fatah auf facebook den Massenmord als Heldentat: A thousand greetings to the Japanese fighter and comrade Kozo Okamoto, the hero of the Lod airport operation“. Wenig später bekräftigte die Fatah ihre Aussagen: 44 Jahre sind seit der Operation am Flughafen Lod vergangen. Wir segnen den japanischen Krieger, den Kameraden Kozo Okamoto, Held der Operation am Flughafen Lod. Die Fatah-Bewegung ist stolz auf alle, die sich ihr und der palästinensischen Revolution angeschlossen haben, die für die Freiheit des palästinensischen Volkes kämpfen. Wir sind stolz auf jeden Kämpfer, der sich unserer mächtigen Revolution angeschlossen hat“. Der Protest hielt sich außerhalb Israels in engen Grenzen.

 

Fazit

 

Dem Lod-Massaker kann keine militärische Bedeutung zugebilligt werden, denn die Täter beabsichtigten keine Eroberung oder die Ausschaltung eines militärischen Gegners. Der reine Massenmord zielte darauf, zu zeigen, dass Israel verwundbar sei, und zwar auch an einem gut gesichterten Ort. Dadurch sollten weitere Terroraktionen ermutigt werden, v.a. gegen Unbewaffnete. Tatsächlich folgten die Geiselnahme israelischer Olympiaathleten 1972, viele Bombenattentate auf Zivilisten sowie eine Reihe von Flugzeugentführungen: das Hijacking von Entebbe 1976 war Zusammenarbeit von Haddad-Palästinensern mit den deutschen Terroristen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, beide Angehörige der "Revolutionären Zellen". Um so unverständlicher und schändlicher ist es, dass die Fatah noch 2016 dem Massenmörder Okamoto einen Heldenstatus zubilligt, während die Palästinensische Autonomiebehörde gleichzeitig von Unterstützungszahlungen der Europäischen Union lebt. Hier wäre schnellstens ein Hebel anzusetzen.

 

Literatur

 

N.N.: Weißer Kreis. In: Der Spiegel, 5.6.1972, S. 82-85. Online: http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/42929256

 

Michael Sontheimer: 40 Jahre Moderner Terrorismus. Im Zeichen des Orion. In: Tageszeitung Taz, 30.5.2012, online: http://www.taz.de/!5092765/

 

http://www.timesofisrael.com/abbass-fatah-praises-1972-lod-airport-terror-attack/

http://www.audiatur-online.ch/2016/05/30/fatah-ehrt-24-fachen-moerder-des-flughafen-anschlags-von-1972

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