Stefan Winckler
Historiker und Buchautor


© Stefan Winckler


DVD-Kritik: A.D. (Anno Domini – Kampf der Märtyrer)

 

Was geschah nach Jesu Kreuzigung? Was passierte in Judäa, als die Apostel die ersten Christen um sich sammelten, und wie reagierte die Elite des Reiches in Rom?

Der fünfteilige englisch-italienische Fernsehfilm A.D. („Anno Domini“) widmet sich diesen Fragen. Gedreht 1984, war die Miniserie im ZDF in der Osterzeit 1987 zu sehen. Eine Wiederholung stand seitdem aus, abgesehen von einer kaum beachteten Ausstrahlung im weitgehend vergessenen Kanal tm3 zehn Jahre später. Selbst ein Kaufvideo war nicht erhältlich. Erst im vergangenen November kam eine DVD-Veröffentlichung auf den Markt. Diese Reihe ist nicht zu verwechseln mit „A.D. - Rebellen und Märtyrer“, einer zwölfteiligen amerikanischen TV-Serie mit ähnlichem Inhalt von 2015.

Anno Domini“ ist die Fortsetzung des oft gelobten Vierteilers „Jesus von Nazareth“ von Franco Zeffirelli aus dem Jahr 1977. Zeffirelli konnte seinerzeit viele Stars wie Peter Ustinov (Herodes) und andere bis in die kleinsten Nebenrollen aufbieten. Diesbezüglich fällt A.D. etwas ab: Ava Gardner als Agrippina, James Mason (unmittelbar vor seinem Tod) als Kaiser Tiberius, Susan Sarandon (Livilla, Schwester von Kaiser Claudius), Fernando Rey (Seneca) und John Houseman (Gamaliel) und Jack Warden (Kaiser Nerva) sind dennoch eine vorzügliche Besetzung. Das Drehbuch verfassten der englische Novellenautor Anthony Burgess (zugleich Autor der Romanvorlage) und Vinzenzo Labella (Produzent von „Jesus von Nazareth“). Die Autoren stützten sich auf die Apostelgeschichte, die Briefe des Paulus, die Schriften des Seneca, die Geschichtsschreibung von Flavius Josephus und des Tacitus als Handlungsgerüst, ergänzt um fiktive Szenen „gewöhnlicher“ Römer und Juden. Die Musik schrieb Lalo Schifrin – bekannt für seine Soundtracks u.a. zu vielen Clint-Eastwood-Filmen. Die lichtdurchfluteten Bilder, oft an Gemälde erinnernd, sind Kamera-Chef Ennio Guarnieri zu verdanken. Auch die Kulissen sind prächtig. Regie führte der wenig bekannte Brite Stuart Cooper. Die Produktionskosten beliefen sich auf 30 Mio. Dollar. Außenaufnahmen wurden in Tunesien gemacht.

Der Fernsehfilm gewann einen Emmy für die besten Spezialeffekte und eine Emmy Nominierung für den besten Schnitt verzeichnen. Zuschauer zeigten sich sehr angetan, einige waren begeistert. Insgesamt erhielt er von 329 Nutzern eine Wertung von 7,5 (von 10) auf der Filmseite www.imdb.com.

Die Edition auf DVD enthält anstelle von Bonusmaterial lediglich ein booklet, das mit zahlreichen Informationen über die Produktion und v.a. die einzelnen Darsteller aufwarten kann.

Um nicht allzu viel vorwegzunehmen, sei hier nur der weitgehend spannende erste Teil (zwei Stunden) kurz skizziert: In der ersten Szene wird das Kreuz auf Golgatha abgebaut. Die Hinrichtung Christi ist vollzogen, Hoffnungslosigkeit hat sich bei seinen Jüngern breitgemacht. Doch Jesus erscheint zunächst zwei Jüngern, die sich auf den Weg nach Emmaus begeben haben, und später dem engeren Kreis seiner Jünger, einschließlich dem zweifelnden Thomas. Saulus (subtil und überzeugend gespielt von dem Shakespeare-erfahrenen Philip Sayer) veranlasst die Steinigung des Stephanus. Petrus predigt in Jerusalem. Seine Worte veranlassen einen Gelähmten, sich wieder zu bewegen. Derweil lebt Kaiser Tiberius (faszinierend: James Mason) im freiwilligen Exil auf Capri, da ihm offenbar seine Familie und die politische Klasse Roms das Leben schwer gemacht haben. Die (fiktive) Liebesgeschichte einer jüdischen Sklavin und eines Römers verbindet schließlich diese beiden Handlungsstränge.

 

 

Anno Domini“ ist nicht die erste TV-Bearbeitung der Apostelgeschichte, und ebenso wenig die erste Fernsehinszenierung des frühen römischen Kaisertums. Letztere war als viel längere Serie unter dem Namen „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“ nach dem Roman von Ranke-Graves in den späten 1970ern erfolgreich. Und was das Urchristentum angeht, so erstellte der renommierte Regisseur Roberto Rossellini bereits 1968/69 eine vierteilige Verfilmung für das italienische Fernsehen RAI: Atti degli Apostoli („Geschichte der Apostel“). Rossellini, einst einer der Hauptvertreter des italienischen Neorealismus, hatte zwischen 1962 und 1976 zahlreiche ernsthafte biografische Fernsehfilme über bedeutende Persönlichkeiten der Geistesgeschichte gedreht.

 

 

Ein amerikanischer Zuschauer schrieb über die „Geschichte der Apostel“:

ACTS OF THE APOSTLES is both a monumental cinematic achievement and a profound inquiry into the foundations of Christian faith. Rossellini's sharp eye for historical context made him the ideal director of this rich material. More importantly, his patient delving into the mystery of faith is never superficial but always suffused with search and wonder, as it had been in FRANCIS, GOD'S JESTER and would be in THE MESSIAH. Those unfamiliar with Rossellini's deliberate and unsensational style may take a while to get accustomed to it, but viewer patience and attention are always rewarded in the Rossellini historical films. Remarkably, one comes away from the film with a powerful sense of who Christ was. His presence fills the movie without his once being seen in it...as though he were just beyond the edges of the frame“.

 

 

Die TV-Bibelbearbeitung Rossellinis unter Beteiligung einer Hamburger Produktionsfirma war zwischen Karfreitag und Ostermontag 1970 im ZDF sowie an Ostern 1985 in RTL Plus (seinerzeit nur für sehr wenige Zuschauer nahe Luxemburg zu empfangen) zu sehen. Seitdem steht eine Wiederholung – meines Erachtens: leider - aus, während die amerikanischen Monumentalfilme wie etwa „Ben Hur“ oder „Die zehn Gebote“ alljährlich trotz ihres Kitschs und ihrer Sentimentalität ausgestrahlt werden. Das ZDF erklärte auf meine Anfrage, an eine Wiederholung sei nicht gedacht. Begründet wurde diese knappe Antwort nicht. Auf youtube ist lediglich die italienischsprachige Fassung auffindbar, in 15 Teile aufgestückelt, ohne Übersetzung. 

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