Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

Stefan Winckler

Dein Weg“ („The Way“): Martin Sheen auf dem Camino Santiago (DVD 2010)

 

Der amerikanische Schauspieler Martin Sheen (eigentlich: Ramon Estevez) ist ein praktizierender Katholik spanisch-irischer Herkunft. Sein Vater erzog ihn einst streng katholisch, seinen Künstlernamen wählte er zu Ehren des Erzbischofs und Fernsehpredigers Fulton John Sheen. Unzählige Male ist Sheen, Jg. 1940, als Friedensaktivist aufgetreten, unter anderem gegen den Irak-Krieg George W. Bushs 2003: „Don't invade Iraq. Inspectations work, war don't“. Der Glaube war es auch, der ihn die Alkoholsucht besiegen ließ (seine heftige Trunkenheitsszene in „Apocalypse Now“ war „echt“).

Vor einigen Jahren unternahm Sheen mit Enkel Taylor Estevez eine Wallfahrt auf dem Jakobsweg; in seiner Jugend dürfte er manches über die Region Galicia gehört haben, denn sein Vater stammte aus Salceda de Caselas, 110 Kilometer südlich von Santiago.  


Mit seinem Sohn Emilio Estevez, Schauspieler, Regisseur und hier auch Drehbuchautor, sprach Martin Sheen anschließend immer wieder über eine Verfilmung, sei es als Dokumentation (die er zunächst bevorzugte), oder als prominent besetzter Spielfilm (Estevez' Lösung). Die Hauptrolle könnte mit niemandem geringeren als Michael Douglas oder Mel Gibson besetzt werden, schlug Sheen vor, doch setzte sich eine wahrhaft authentische Lösung durch: Sheen übernahm schließlich selbst die tragende Rolle.

Wie in dem Vietnam-Flussfahrt-Drama „Apocalypse Now“ (1979) legt er in seiner Rolle einen Weg zurück, allerdings nicht um gesellschaftliche, gar politische Sphären zu durchschreiten, sondern um entweder Gott oder zumindest sich selbst zu finden. Es ist ein sparsamer Film fast ganz ohne Effekthascherei geworden. Inhalt: Der kalifornische Augenarzt Dr. Tom Avery (Sheen) ist mit seinem Sohn (Emilio Estevez) in nicht allzu enger oder herzlicher Verbindung. Dieser Vater ist ein biederer älterer Mann, der seinen Glauben gerade einmal an Feiertagen praktiziert. Der Sohn hingegen will etwas von der Alten Welt sehen und sucht auf dem Jakobsweg (nebenbei vielleicht) religiöse Erkenntnis – und kommt schon am ersten Tag bei einem Unwetter ums Leben. Tom reist zum Leichenschauhaus in den französischen Pyrenäen – und entschließt sich dort ohne jegliche Vorbereitung, quasi für seinen Sohn den Camino de Frances, den klassischen „Jakobsweg“ zurückzulegen, wobei er dessen Asche an verschiedenen Stellen und schließlich bei Muxia ins Meer streut. Als Trauernder wenig gesprächig und introvertiert, stößt Tom (Sheen) auf ganz unterschiedlich motivierte, mitteilungsbedürftige Charaktere aus verschiedenen Ländern, wobei er sich zunehmend öffnet – zum Glauben und nicht nur gegenüber den anderen nicht allzu frommen Wanderern. An originalen Schauplätzen des Baskenlandes und Galiciens gedreht sowie einheimische Statisten einbeziehend, kommt dieser ungemein persönliche Film von Sheen und Estevez zwar weitgehend ohne Theologie und christliche Philosophie aus. Er ist aber eine sympathische Einführung in das Pilgern auf dem Jakobsweg, bis hin zum Gebet des Hauptcharakters samt seinen Gefährten in der Kathedrale zu Santiago. Es spricht für die Regie, dieses Erlebnis nicht als aufdringliche Katharsis mit musikalischem Bombast, sondern vollständig auf die leise Art zu inszenieren. Sheen ist, wie gewohnt, mit der Ausstrahlung eines ernsthaften, intelligenten Mannes eine vorzügliche Besetzung. Emilio Estevez überzeugt als Darsteller in einigen kurzen Rückblenden, die anderen Schauspieler agieren ähnlich gefällig. Der ruhige, in langen Einstellungen auch kameratechnisch überzeugende „ehrliche Familienfilm“ (so der renommierte Kritiker Roger Ebert) passt in seiner Machart zur Ernsthaftigkeit des Themas. Bemängeln ließe sich nur ein einziger inhaltlicher Fauxpas: das Verteilen der Asche des Verstorbenen an unterschiedlichen Stellen des Weges mag im Filmkontext überzeugen – es ist kirchlicherseits aber nicht erlaubt. Wer übergenau sein will, kann ferner noch die saubere Kleidung und stets den gepflegten Habitus der Hauptfigur auf dem weiten Weg kritisieren. Aber was diese letztgenannten Äußerlichkeiten angeht, wollen wir es hier nicht übertreiben...


© Stefan Winckler

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